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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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mich auch sehr anstrengen müssen, sie zu erlernen“, gestand Michael belustigt.
    „Warum hast du einen so merkwürdigen Akzent?“ erkundigte Sara sich stirnrunzelnd. „Ich kann ihn einfach nicht unterbringen. Du sprichst nicht wie ein Cockney, eher wie ein Asiate, der in Oxford studiert hat.“
    „Nachdem ich England verlassen hatte, blieb mein Wortschatz beschränkt. Später habe ich überhaupt nicht mehr Englisch gesprochen, nur noch gelesen, wann immer mir ein in England gedrucktes Buch in die Hände fiel. Ich wollte meine Muttersprache nicht verlernen, da ich wußte, daß ich sie eines Tages brauchen würde. In Indien, wo ich dann wieder darauf zurückgreifen mußte, merkte ich, daß mein Cockneyakzent sich mit den Jahren durch die anderen von mir beherrschten Sprachen abgeschliffen hatte. Deshalb kultivierte ich meine neue Sprechweise ganz bewußt, denn mir war klar, daß man mich bei der Rückkehr nach England eher als reichen Ausländer akzeptieren würde, wenn ich nicht zugab, ein zu Vermögen gelangter Mann aus dem Londoner East End zu sein.“
    „Du erwähntest vor einigen Minuten, du habest die ersten acht Jahre hier in England verbracht. Warum hast du das Land verlassen?“
    „Mutter war an einem Fieber gestorben. Zufällig hielt sich damals einer ihrer Freunde, ein Kapitän, bei uns auf. Da er wußte, daß ich auf der Straße und vermutlich irgendwann am Galgen landen würde, nahm er mich als Kajütjungen mit auf sein Schiff. Er hieß Jamie McFarland und mochte mich, im Gegensatz zu Annies anderen Gönnern, die mich meist unausstehlich fanden. Er brachte mir kleine Geschenke mit und hatte auch viel Zeit für mich. Er stammte aus Glasgow, und wenn du genau hinhörst, entdeckst du vielleicht noch die Spur eines schottischen Akzentes in meiner Aussprache.“
    Es fiel Sara schwer, sich Michael als kleines, hilfebedürftiges Kind vorzustellen. Er hatte einen so starken Charakter und war immer sehr selbstbewußt. Wie einsam mußte der elternlose Junge sich gefühlt haben! Es war verständlich, daß er Jamie McFarland ins Herz geschlossen hatte, den Mann, der ihm die ersehnte Zuneigung und Geborgenheit schenkte. Sara war voller Mitgefühl für Michael, hielt es jedoch für ratsamer, es nicht zu äußern. Sie wußte, er schätzte es nicht, wenn jemand Schwäche zeigte. Das Thema wechselnd, fragte sie neugierig: „Wie bist du denn in die asiatische Wildnis verschlagen worden?“

„Das ist eine lange Geschichte“, antwortete Michael ausweichend. „Ich will mich auf die wichtigsten Ereignisse beschränken. Durch verschiedene Umstände schloß ich mich nach der Zeit auf See Karawanen an, die durch Mittelasien zogen. Bei einer dieser Reisen, ich war damals zwanzig Jahre alt, wurden wir überfallen. Ich kam in Gefangenschaft und wurde als Sklave verkauft.“
    „Und seither hast du die Narben, nicht wahr?“
    Michael trank einen Schluck Cognac und zwang sich zu einer gelassen wirkenden Miene. „Nicht alle“, antwortete er gleichmütig. „Ich war zum zweiten Male versklavt worden, und die meisten stammen vom ersten Mal. Ein Jahr verging, bis mir und einem Leidensgefährten die Flucht glückte. Er hieß Malik, stammte aus Kafiristan und wollte unbedingt in die Heimat zurück. Da ich nichts Besseres vorhatte, ging ich mit ihm und blieb bei den Kafiren. Maliks Angehörige nahmen mich wie einen Sohn auf und akzeptierten mich vorbehaltlos. Diese Herzlichkeit war mir noch nie entgegengebracht worden. Ich fand es wunderbar, eine Familie zu haben.
    Ich mochte die Bewohner des Dorfes, und sie hatten mich gern.“
    „Und du hast jahrelang bei ihnen gelebt?“
    „Ja, Kafiristan wurde zum Ausgangspunkt meiner Unternehmungen. Nach der Rückkehr aus Katak war ich der wohlhabendste und geachteteste Mann des Landes. Ich hatte das Ansehen eines Stammesfürsten, und folglich ist es auch dem europäischen Verständnis nach nicht übertrieben, mich als Prinz auszugeben. Einen Teil des Jahres hielt ich mich im Lande auf, während ich den anderen auf gewinnbringenden Reisen verbrachte. Malik und seine Angehörigen hießen mich jedesmal aufs neue herzlich willkommen. Nun, durch mich waren auch sie zu großem Wohlstand gelangt. Sie meinten, ihr Heim wäre auch das meine, und das war wörtlich zu nehmen. Ich hatte einen ungewöhnlichen Status, wie ein hochgeschätzter entfernter Verwandter, der immer wieder längere Zeit zu Besuch weilt.“
    „Wo bist du Kuram begegnet?“
    „In Indien. Er war als Führer für die Armee

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