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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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ich besser nicht fragen?“
    „Sie verehren viele Götter, betreiben einen großen Ahnenkult und stellen auf den Wegen zu den Dörfern die hölzernen Bildnisse der Vorfahren auf. Das sieht sehr eindrucksvoll aus. Die Standbilder der Kriegshelden, die hier die Parks zieren, haben eine gewisse Ähnlichkeit mit diesen Statuen.“
    Lady Sara lachte und gab bereitwillig Auskunft, als Prinz Balagrini sie nach ihrem Leben fragte. Erst beim Anblick der hügeligen Landschaft von Surrey merkte sie, daß sie den größten Teil der Unterhaltung bestritten hatte, selbst jedoch noch immer sehr wenig über Seine Hoheit wußte. Er verstand es ausgezeichnet, anderen Informationen zu entlocken, ohne viel über sich preiszugeben. Andererseits war es verständlich, daß er sein Wissen über ein ihm fremdes Land und dessen Sitten und Gebräuche bereichern wollte. Die Aufmerksamkeit, mit der er die Gegend betrachtete, veranlaßte Sara schließlich zu der amüsierten Frage: „Erwarten Sie, daß eine
    Horde Wilder hinter dem nächsten Busch hervorspringt und uns überfallt? Oder warum sehen Sie sich so wachsam um?“
    Verdutzt schaute er sie an und antwortete schmunzelnd: „Natürlich rechne ich hier nicht mit einem Angriff johlender Wegelagerer in Kriegsbemalung! Ich genieße die Aussicht auf die Umgebung. Mein Schiff ist nachts die Themse heraufgesegelt, und da ich mich bislang nur in London aufgehalten habe, kenne ich das ländliche England nicht. Es ist wundervoll, wie ein mit großer Liebe gestalteter endloser Garten.“
    Sara mußte ihm recht geben. Hinter dem von halbhohen Brombeerhecken gesäumten Weg dehnten sich Felder mit wogendem Korn und Weiden mit grasenden Schafen und Kühen. Hin und wieder unterbrachen kleine Baumgruppen die Wiesen; Buchen und Eichen reckten die breiten Kronen zum azurblauen Himmel, und die zarten Äste silbrig glänzender Birken schwankten im leichten Wind. Lerchen jubilierten in der Luft; über einem Wäldchen kreiste ein Habicht, und ein Schwarm wilder Tauben stob von einem Acker auf. Inmitten der Flur, halbverdeckt von lieblich grünenden Hügeln, erhob sich der wuchtige Turm einer aus normannischer Zeit stammenden Kirche, und am Horizont zeichneten sich im bläulichen Dunst die Konturen der North Downs ab. Der Rain war übersät mit blutrotem Klatschmohn, blauen Kornblumen und buschigen Margeriten, deren Blüten im hohen Gras wie weiße Sterne leuchteten.
    „Ich bin ganz Ihrer Meinung, Sir“, sagte Sara und atmete tief den würzigen Duft der blühenden Schlehen ein. „England ist tatsächlich wie ein weiter, unbegrenzter Naturpark, den ein begnadeter Gartenarchitekt angelegt hat. Wenn man hier lebt, gewöhnt man sich allerdings sehr schnell an das bezaubernde Bild und nimmt die Schönheiten der Landschaft gar nicht mehr wahr. Im Vergleich zu den rauhen, zerklüfteten Bergen Kafiristans muß Surrey Ihnen jedoch offen und übersichtlich erscheinen.“
    „Aber nicht minder reizvoll“, erwiderte der Prinz lächelnd.
    „Chapelgate Court, Alastairs Landsitz, ist übrigens nur eine halbe Stunde entfernt“, erklärte Lady Sara. „Von hier aus können wir es nicht sehen, doch da vorn liegt Sulgrave Manor.“ Sie wies auf ein prächtiges Anwesen, dessen Dächer hinter hohen Gartenmauern zu sehen waren.
    Es dauerte nur einige Minuten, bis das kunstvoll geschmiedete und vergoldete Parktor erreicht war. Die Reiter hielten an, und Prinz Balagrini zog am Messinggriff der kleinen Besucherglocke.
    Ein älterer Mann kam aus dem Wächterhäuschen, grüßte höflich und fragte die Herrschaften nach ihrem Begehr.
    „Wir möchten uns das Sulgrave Manor ansehen“, antwortete der Prinz und zeigte dem Bediensteten ein Schreiben des für den Verkauf zuständigen Maklers.
    Der Mann nickte und öffnete eine Seite des Gatters.
    Eine lange, von herrlichen Ahornbäumen gesäumte Allee führte zum Portal des Herrenhauses. Zwei rechteckige Wasserbecken mit bronzenen Statuengruppen lagen vor einer im Halbrund verlaufenden, aus Sandstein errichteten Aussichtsterrasse, deren Grotten mit den Standbildern griechischer Gottheiten geschmückt waren. Langsam, sich immer wieder bewundernd umschauend, ritt der Prinz an den Fontänen vorbei zum hinter der Balustrade liegenden, in neun unterschiedlich große Felder aufgeteilten Hauptbassin und hielt den Schimmel an.
    Sara konnte verstehen, warum er das Gebäude mit Blicken verschlang. Es war ein grandioser, weitläufiger Bau, der sich, umrahmt von gepflegten Rasenflächen und

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