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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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prachtvollem alten Baumbestand, vor ihren Augen erstreckte. Im weichen Licht der Nachmittagssonne hatte der rote Ton des Backsteines einen warmen, anheimelnden Glanz, der durch die weißen Kragsteine der Sohlbänke und der den Mittelteil flankierenden eckigen Türme noch besonders hervorgehoben wurde. Zwei marmorne Adler mit ausgebreiteten Schwingen hockten auf den Podesten der breiten Freitreppe, die zu einem von sechs schlanken Säulen getragenen Portikus führte. Der weiße, durch gelblich schimmernde Blenden abgesetzte Giebel war mit geflügelten plastischen Fabelwesen geschmückt und ging beidseitig in die niedrige Marmorbrüstung über.
    „Wunderbar!“ äußerte Mikahl hingerissen und blickte durch das offene Vestibül in den geräumigen Innenhof des Anwesens.
    Belustigt dachte Sara, wie gut es sei, daß der Besitzer von Sulgrave Manor nicht anwesend war. Angesichts der Faszination, die aus Prinz Balagrinis Miene sprach, hätte er den Verkaufspreis bestimmt verdoppelt. Sara war sicher, daß selbst eventuell vorhandene Mängel den Prinzen nicht abhalten würden, das Herrenhaus zu erstehen.
    „Wie gefallt es Ihnen?“ erkundigte Mikahl sich neugierig. „Ich bin beeindruckt“, antwortete Sara wahrheitsgemäß. „Allerdings wundert es mich, daß der Bevollmächtigte des jetzigen Eigners nicht hier ist, um Ihnen alles zu zeigen.“ „Schauen wir uns Sulgrave Manor von der Rückseite an“, schlug der Prinz vor und ritt langsam weiter. „Mr. Gillray hatte mir seine Begleitung vorgeschlagen“, erklärte er, als Lady Sara und er um die Ecke des Hauses bogen und auf die Wirtschaftsgebäude zuhielten. „Ich zog es jedoch vor, ohne ihn herzukommen. Ich wollte nicht, daß er mich zu beeinflussen versucht.“
    „Ich glaube, das wäre ihm nie gelungen“, erwiderte Lady Sara lächelnd. „Warum soll Sulgrave Manor eigentlich verkauft werden?“
    „Der Besitzer ist verstorben, und sein in Amerika lebender Erbe will nicht nach England zurückkehren“, antwortete der Prinz. „Zu den zweitausend Acres umfassenden Ländereien gehören mehrere Pachthöfe. Die Bausubstanz ist in gutem Zustand, wie Mr. Gillray erwähnte, aber das Herrenhaus muß teilweise neu eingerichtet werden.“
    Der Geruch frisch gemähten Grases hing in der Luft, doch auf dem Hof war niemand zu sehen. Prinz Balagrini saß ab, band den Hengst an einem der in die Mauer eingelassenen eisernen Ringe fest und half Lady Sara dann von der Stute.
    Ihr rechtes Bein war wie betäubt, und sie mußte es über den Sattelknauf heben. Die Lippen zusammenpressend, ließ sie sich herunterheben und schrie unwillkürlich auf, als sie einknickte und ein scharfer Schmerz sie bis zur Hüfte durchzuckte.
    Sofort stützte sie der Prinz, hielt sie fest und erkundigte sich besorgt: „Macht Ihnen das kranke Bein zu schaffen?“
    Sara biß die Zähne zusammen, um nicht noch einmal die Fassung zu verlieren, und nickte.
    Sie behutsam haltend, stellte Mikahl sich hinter sie, legte ihr den Arm um die Taille und begann, ihr den rechten Unterschenkel zu massieren.
    Sie konnte nicht verhindern, daß sie gequält aufstöhnte und ihr die Tränen in die Augen traten. „Es tut mir leid, Sir“, flüsterte sie beklommen. „Ich habe nicht damit gerechnet, daß es so schlimm werden könnte.“
    „Sie müssen sich nicht entschuldigen, Madam“, erwiderte er ruhig. „Wenn Sie keine Anforderungen an sich gestellt hätten, würden Sie wohl noch immer im Rollstuhl sitzen. Diesmal haben Sie sich jedoch zuviel abverlangt.“
    Langsam ließ die Verkrampfung der Muskulatur nach, und der Schmerz wurde erträglicher. Das Gefühl kehrte in das Bein zurück, doch Sara wußte, daß sie aus eigener Kraft noch nicht stehen konnte. Sanft, mit langsam kreisenden Bewegungen, massierte der Prinz ihr nun den Oberschenkel, und unvermittelt empfand sie Regungen, die sie verwirrten, ihr jedoch nicht unangenehm waren. Am liebsten hätte sie sich gegen Prinz Balagrini gelehnt, Sitte und Anstand vergessen und sich den Wonnen ergeben, die seine Berührungen hervorriefen. Aber die Etikette erforderte es, ihm Einhalt zu gebieten. Widerstrebend straffte sie sich und sagte: „Ich denke, das genügt.“ „Sind Sie sicher?“ Besorgt hielt Mikahl sie am Arm fest, während sie das Gewicht auf das rechte Bein verlagerte.
    Sie schwankte, machte einen zögernden Schritt und blieb mit schmerzverzerrter Miene stehen.
    „So geht es nicht, Madam“, sagte Mikahl kopfschüttelnd, hob sie entschlossen auf die Arme und trug

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