Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Kind herzugeben, und streitet alles ab, was ausgemacht war. Ich renne hinauf in ihr Zimmer, sie sieht verloren aus ohne ihren schwangeren Bauch, als hätte man ihr die Hälfte des Körpers weggenommen, ihre Augen leuchten rot, und als sie mich sieht, fängt sie wieder an zu weinen, sie schluchzt in meinen ausgebreiteten Armen, ich gebe meine Kleine nicht her, sie gehört mir, ich habe schon einen Namen für sie, wer sie adoptieren will, soll mich auch adoptieren, ich umarme sie, wenn das ginge, flüstere ich, aber du weißt, daß es nicht geht, die Frage ist, ob du sie allein aufziehen kannst. Wie von einer weiteren Wehe wird sie von einem neuen Weinkrampf geschüttelt, ich kann sie nicht hergeben, und ich kann sie nicht aufziehen, schreit sie, und ich streichle ihre Haare, wir haben so viel darüber gesprochen, Galja, du weißt, daß es deine Entscheidung ist, du mußt dir überlegen, was gut für das Kind ist, und sie schreit, ich habe alles vergessen, was wir besprochen haben, als ich sie gesehen habe, ich hätte sie nicht sehen dürfen. Ich betrachte ihr Gesicht, das von den ersten Wunden des Erwachsenwerdens gezeichnet ist, ein Kind noch, kaum fünfzehn Jahre alt, ein Mädchen, das in die Falle getappt ist, und ich sage, du hast noch Zeit, dich zu entscheiden, du bist noch verwirrt von der Geburt, ruh dich ein bißchen aus, vielleicht werden die Dinge dann klarer, dann schaue ich auf die Uhr, sie hat vielleicht noch Zeit, aber ich nicht. Ich muß los, Galja, mein Mann ist im Krankenhaus, wir reden morgen weiter, sage ich und küsse sie auf die Stirn, laufe schnell aus dem Zimmer und stoße fast mit Chawa zusammen, der Heimleiterin, die an der Tür steht, als habe sie unser Gespräch belauscht, aber ihr ernsthaftes Gesicht zerstreut jeden Verdacht. Na’ama, sagt sie erstaunt, ich habe nicht erwartet, daß du heute herkommst, wie geht es deinem Mann? Er ist noch im Krankenhaus, sage ich, ich muß gleich zu ihm zurück, sie läßt mich mit leichten Ressentiments gehen, bei uns wird das, was mit der Familie zu tun hat, immer ein bißchen verachtet. Kommst du morgen, fragt sie, und ich antworte, das weiß ich noch nicht, es hängt davon ab, wie es ihm geht. Aber als ich das Haus verlasse, habe ich Angst, daß sie ausgerechnet diesmal hören wollte, ich würde morgen nicht kommen, daß sie Galja bedrängen möchte, ohne daß ich etwas davon weiß, daß sie sie dazu überreden will, die Verzichtserklärung zu unterzeichnen.
Zu meinem Glück schläft er, ich bin rot, als wäre ich von einem Liebhaber zurückgekommen, vermutlich habe ich mich im Lauf der Jahre zornig damit abgefunden, daß seinem Gefühl nach jede Beschäftigung, die nichts mit ihm zu tun hat, Betrug ist, schon seit Jahren komme ich mit Schuldgefühlen von der Arbeit nach Hause, und jetzt habe ich auf dem ganzen Weg innerlich mit mir gekämpft, ob ich ihm sagen soll, daß ich bei der Arbeit war, oder lieber, ich wäre in der Cafeteria eingenickt, was würde ihn weniger kränken, aber als ich in sein Zelt trete und ihn schlafen sehe, die Bibel mit dem roten Einband auf dem Gesicht, roter als ich, als hätte man ihm den Kopf abgeschlagen und statt dessen ein dickes Buch hingelegt, stoße ich einen Seufzer der Erleichterung aus und will das Zimmer verlassen, diesmal wirklich, um zur Cafeteria zu gehen, aber da hält mich eine schwache, feierliche Stimme aus dem Bett gegenüber zurück. Er ist gegangen, er ist gegangen, verkündet mir der Alte, als wäre ein Wunder geschehen, nimm dein Bett und gehe, deine Sünden werden dir vergeben, und ich frage, wer ist gegangen, und er sagt, Ihr Mann, drei Schritte, mit der Gehhilfe, und tatsächlich steht neben seinem Bett ein großes Gestell wie ein treuer Hund, der auf seinen Herrn wartet. Ich frage, wann war das, und er berichtet mit dem Stolz des einzigen Augenzeugen, sie haben einen wichtigen Professor aus einer anderen Abteilung gebracht, damit er mit ihm spricht, dann haben sie es mit der Gehhilfe probiert, und es hat geklappt, drei Schritte, wiederholt er aufgeregt, und da bewegt sich das Buch, bis es zur Seite fällt, und Udi richtet sich mit erschrockenen Augen im Bett auf.
Alles kommt in Ordnung, verkünde ich, aber er schiebt diese Aussage zur Seite, sie glauben nicht, daß ich nur mit Mühe gehen kann, beklagt er sich, sie sind sicher, daß ich mich verstelle. Ich streichle seinen Arm, kümmere dich nicht um sie, Udi, sie sollen dich nur entlassen, Hauptsache, daß ich dir glaube, aber auch in mir
Weitere Kostenlose Bücher