Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
erhebt sich dieser Zweifel, betrachtet spöttisch die Gehhilfe und den Rollstuhl, es ist nur ein winziger Zweifel, der sich die meiste Zeit versteckt wie eine Ratte, die man in den Tiefen des Vorratsschranks nie sieht, aber das sichere Bewußtsein ihrer Existenz ist so bedrückend, daß man am Schluß das Gefühl hat, das Haus gehöre eher ihr als einem selbst.
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Und schon liegt es hinter uns, das Krankenhaus, es wird immer kleiner, während wir bergauf fahren, voll ängstlicher Fröhlichkeit, wie Kinder, wenn sie die Schule schwänzen, sich im Moment freuen und doch genau wissen, daß die Sache nicht gut ausgehen wird. Udi sitzt neben mir, den Umschlag mit der Entlassungsbescheinigung fest in der Hand, stundenlang haben wir auf dieses Papier gewartet, während sie hinter unserem Rücken geheimnisvoll tuschelten, plötzlich verschwanden und wieder auftauchten, ohne eine Entscheidung zu treffen, und ich verströmte Sicherheit, lassen Sie ihn nach Hause gehen, ich weiß, was gut für ihn ist, und Udi beobachtete unschlüssig, was vor sich ging, er war sich nicht sicher, offensichtlich wollte er nicht dort bleiben, aber nach Hause zurückkehren wollte er auch nicht, mit gesenkten Lidern suchte er nach einer anderen Möglichkeit, aber ich sah, mit welchen Blicken sie ihn anschauten, und hatte keinen Zweifel, wenn er heute nicht entlassen würde, würden sie ihn in die Psychiatrische Abteilung verlegen, sie glaubten ihm nicht, sie attackierten ihn mit beleidigenden Fragen, sie jagten ihn aus ihrer Abteilung, hier lagen die wirklich Kranken, die ehrlichen, die ihre Aufmerksamkeit verdienten, während er schon nicht mehr dahin gehörte, nach all dem Glauben, den man ihm geschenkt hatte. Alle Untersuchungen hatten seine Täuschung bewiesen, jetzt war er zur Wanderung in dieser Grauzone zwischen Kranken und Gesunden verdammt, er gehörte weder zu den einen noch zu den anderen, das alles sah ich in den verlegenen Gesichtern, er selbst schämte sich seines Körpers, der einen Makel aufweist, seiner Beine, die ihn betrügen, dieser armseligen Rückkehr nach Hause, die so überraschend ist wie sein Aufbruch nur einen Tag zuvor.
Seine Augen sind voller Angst, wie die Augen der kleinen Noga, als wir sie nach Hause brachten, ich saß auf dem Rücksitz und hielt sie auf den Knien, Udi fuhr schweigend, mit gebeugtem Rücken, wie die Scherben einer Vase waren wir damals, Scherben, die darauf warteten, zusammengeklebt zu werden, vielleicht wird es ausgerechnet jetzt geschehen, vielleicht werden wir jetzt, in seiner Krankheit, vereint. Ich streichle seine Hand, Udigi, mach dir keine Sorgen, Hauptsache, daß wir dort weg sind, du ruhst dich ein paar Tage aus, dann ist alles wieder in Ordnung, aber er tastet über seinen Entlassungsschein wie ein Junge, der ein schlechtes Zeugnis nach Hause bringt, ich weiß nicht, sagt er, solange ich nicht weiß, was es war, bin ich nicht sicher, daß es nicht zurückkommt, ich fühle mich schutzlos ausgeliefert, ich habe keine Ahnung, ob man von so was je geheilt wird, er seufzt, aber ich glaube noch an die tröstliche Vorstellung, daß es mir gelingen wird, mit allen Schwierigkeiten zurechtzukommen, die mit der Seele zusammenhängen. Übertreib mal nicht, das passiert jedem mal auf die eine oder andere Weise, Hauptsache, es ist vorbei, Hauptsache, wir sind zu Hause, sage ich erleichtert, als wir aus dem Auto steigen, ich beuge mich zu ihm, und er legt den Arm um meinen Hals und zieht sich hoch, er geht so langsam wie ein Greis, der mit letzter Kraft ein paar Schritte macht, er stützt sich auf mich, schwach, mit schamhaft gesenktem Gesicht, damit ihn niemand sieht. Der Held, der stolz auf der Trage abgeholt worden ist, der auf der geheimnisvollen Station gekämpft hat, kommt, mit Schimpf und Schande aus dem Krankenhaus gejagt, nach Hause zurück. Ich meine, die Bewegung eines Vorhangs zu sehen, die Tochter der Nachbarn im Stockwerk unter uns taucht kurz am Fenster auf, der Klang der Glöckchen in ihren Haaren begleitet unsere angestrengten Schritte zur Treppe, wir bleiben zum Ausruhen auf dem Absatz stehen, Udis Beine drohen unter ihm zusammenzubrechen, da geht unsere Tür auf, ein blauer Luftballon hängt an ihr, und Noga kommt heraus, einen orangefarbenen Ballon in der Hand, wir haben sie bei der festlichen Vorbereitung seiner Heimkehr überrascht, und vor lauter Staunen läßt sie den Ballon los, Wind ergreift ihn, er wird kleiner und kleiner, sieht schon aus wie eine Orange, bleibt im nahen
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