Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Paternosterbaum hängen und verwandelt ihn in einen stolzen Orangenbaum. Nogas Blick wandert vom Ballon zu uns, sie schwankt zwischen dem Bedauern über den Verlust und der Freude über unsere Heimkehr, bis sie sich für die Freude entscheidet und sagt, Papa, du bist gesund, und dann betrachtet sie ihn und fügt hinzu, du bist doch gesund, oder, sonst hätten sie dich doch nicht aus dem Krankenhaus entlassen. Ihr Versuch, sich selbst zu überzeugen, bleibt ohne Erfolg, denn sein Gesicht ist leer, und in dem Moment brechen seine Streichholzbeine auf der Schwelle unter ihm zusammen.
Mit vier Händen zerren wir ihn zu seinem Bett, wie schwer er ist trotz seiner Magerkeit, es ist, als fülle die Bitterkeit seinen Körper und verdoppele sein Gewicht, und Noga streckt sich blaß und fast durchsichtig neben ihm aus. Hast du was gegessen, frage ich sie, und sie sagt, noch nicht, ich wollte erst sicher sein, daß Papa gesund ist, und ich sage, dann komm jetzt und iß was, so kannst du nicht weitermachen, schau, er ist in Ordnung, aber sie betrachtet ihn zweifelnd und sagt, noch nicht, und dann bricht es aus ihr heraus, ich habe in der Schule einen Apfel gegessen, ich habe vergessen, daß ich es nicht darf, ich habe in der Pause einen Apfel gegessen, deshalb ist Papa nicht gesund geworden.
Ich habe langsam genug von diesem Blödsinn, schimpfe ich, wann verstehst du endlich, daß es zwischen deinem Bauch und seinen Beinen keine Verbindung gibt, du kannst dich zu Tode hungern, und es ändert nichts. Ich knalle die Tür hinter den beiden zu und gehe in die Küche, zum Glück finden sich im Kühlschrank noch ein paar Putenschnitzel aus unserem früheren Leben, ich brate sie und suche die Zutaten für einen Salat, vor lauter Anspannung führe ich Selbstgespräche, wo sind die Tomaten, frage ich laut, vor einem Moment habe ich sie doch noch gesehen, ich suche im Kühlschrank, doch dann finde ich sie auf der Anrichte, etwas gequetscht umgeben sie die einzige, schrumplig gewordene Gurke, und schon ist die Schüssel voll. Ich öffne eine Flasche Wein, vielleicht werden wir uns mit seiner Hilfe davon überzeugen, daß das Übel vorbei ist, stelle alles auf das große Tablett, das wir zur Hochzeit bekommen haben, und wie eine unerfahrene Kellnerin stolpere ich ins Schlafzimmer, wo sie bewegungslos und traurig liegen. Ich stelle das Tablett auf das Bett und fordere sie auf zu essen, gieße Wein ein, zum Wohl, auf uns, und Noga hebt ein leeres Glas hoch, darauf, daß Papa gesund wird, sagt sie hartnäckig, als bliese sie eine Kerze auf einem eingebildeten Kuchen aus und müsse jetzt einen Wunsch äußern, dann fügt sie hinzu, auf uns alle, als wisse sie, daß sie zuviel verlangt, auf uns alle.
Wir drei zusammen in einem Zimmer, auf einem Bett, es ist, als herrsche Krieg draußen, außerhalb des Zimmers, und wir würden uns verstecken, Teller und Decken berühren einander, ich esse schnell wie immer, damit ich fertig bin, falls jemand etwas von mir will, ich trinke ein Glas Wein nach dem anderen, und einen Moment bevor ich mich auf dem Bettrand ausstrecke und einschlafe, sehe ich, wie das Putenschnitzel auf Nogas Teller immer größer wird, unangerührt und unangebissen erinnert es in der Form an ein fernes, fast menschenleeres Land, besetzt und gequält, und mir kommt es vor, als schritte ich über das riesige, glühendheiße Schnitzel, viele Tage lang, ohne eine Menschenseele zu sehen, bis ich einen Mönch in einer roten Kutte treffe, fliehe von hier, flüstert er mir mit seinen dünnen Lippen zu, rette dich, wer hier gefaßt wird, ist dazu verdammt, seine Religion zu verraten, und ich frage, wo bin ich, was für ein Land ist das, und er sagt, das ist somatisch, hast du noch nie etwas vom somatischen Land gehört?
Als ich aufwache, ist das Zimmer stickig und dunkel, Bratengeruch erfüllt es und drängt die kühle Frühlingsluft hinaus, neben mir entdecke ich einen fettigen Teller und weiche vor ihm zurück, als wäre er ein lebendes Wesen, Mama, hat sie früher oft gesagt, wenn ich sie ins Bett brachte, Mama, wenn ich eingeschlafen bin, lache ich heute nicht mehr, und damit hatte sie recht, ich betrachte das breite Bett, wir haben uns zu einem betrunkenen Familienschlaf hingelegt, mitten am Tag, und die ganze von mir angestrebte Festlichkeit schlägt mir nun ins Gesicht, was für ein Fest, schließlich war es vorher schon schlimm genug, ganz zu schweigen vom Zustand jetzt. Dieser hektische Wunsch, der mich seit dem vergangenen Morgen
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