Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
die Tropfen waren schon schwer und zerrissen fast den kleinen Bauch, aber als sie Jerusalem hinter sich gelassen hatte, löste sie sich plötzlich in Dunst auf, bevor sie es schaffte, Regen fallen zu lassen, und all die durstigen Pflanzen der Wüste hoben die Köpfe und schauten zu, wie sich die Wolke am Himmel auflöste, ihre guten Absichten wurden zu heißem, überflüssigem Dunst. Ich bat Udi immer wieder, das Ende der Geschichte zu ändern, so daß die Wolke im letzten Moment noch anfangen würde zu regnen, ich drängte ihn, er solle es doch wenigstens auf den Anfang der Wüste regnen lassen, was für eine Verschwendung von guten Absichten, ich regte mich viel mehr auf als Noga, die das Ausmaß des Versäumnisses gar nicht richtig verstand, und jetzt schaue ich hoffnungsvoll hinauf zum Himmel, vielleicht hat sie es heute geschafft, bis hierher zu kommen, die kleine, gutmütige Wolke Chanan, aber der Himmel ist klar und wolkenlos, nicht das kleinste Wolkenkind tollt in seinen Höfen, gleichmütig begleitet uns der Himmel wie eine Frau, die ohne Kinder alt geworden ist, traurige graue Fäden ziehen schon über ihren Bauch, aber der große Kummer liegt bereits hinter ihr.
Da ungefähr war die Grenze, sagt Udi, und ich frage verwundert, was für eine Grenze, die zu Jordanien? Nein, wieso denn, sagt Udi, die Grenze zwischen dem Königreich Juda und dem Königreich Israel, ich habe ganz vergessen, daß es einmal eine solche Trennung gegeben hat, erstaunt schaue ich mich um, suche die Spuren einer alten Mauer, aber die Erde sieht überall gleich aus, salzig und wüst. Warum haben sie sich getrennt, frage ich, und er sagt, die Frage ist, warum sie sich überhaupt einmal vereint haben, denn die Trennung zwischen ihnen war ein alter, natürlicher Zustand, die Vereinigung war von Anfang an schwach. Ich senke die Augen, warum kommt es mir vor, als spräche er über uns, ich spüre eine kalte Spannung am Rücken, kleine Eistierchen klettern an ihm hoch, erklimmen einen Wirbel nach dem anderen. Wie waren die Beziehungen zwischen ihnen, frage ich, und er antwortet, unbeständig, es gab Kriege, es gab Befriedungen und Bündnisse, und ich strenge mein Gedächtnis an, Israel war größer und stärker als Juda, nicht wahr, wie kommt es, daß ausgerechnet Israel zuerst vernichtet wurde? Er lächelt, weil das Land besonders unvorsichtig war, es beging das Wagnis, sich von Gott zu entfernen, Juda, das militärisch gesehen schwächer war, paßte besser auf sich auf, es hatte keine andere Wahl. Dann sollte man vielleicht lieber schwach sein, sage ich, und er nickt, aus der Sicht Gottes stimmt das wohl, aber auch das nur bis zu der bekannten Grenze, sonst ist es unmöglich, überhaupt zu existieren.
Bestimmt waren sie entsetzt, dort in Juda, nachdem das Volk verbannt war, sage ich, wie bei einem Paar, wenn ausgerechnet der Stärkere vor dem Schwächeren stirbt, und Udi sagt, die Wahrheit ist, daß Israel nur nach außen hin stärker war, innen war es krank und alles andere als stark, es gab falsche Propheten, die zum Aufstand ermutigten, es gab Blutvergießen, und ausgerechnet Juda war relativ stark, innerlich gefestigt, nie hat es die Hauptstadt gewechselt, nie das Königshaus. Aber das hat ihnen nicht besonders geholfen, schließlich wurden sie einige Generationen später ebenfalls vertrieben, sage ich, und er schüttelt den Kopf, du irrst dich, es hat ihnen sehr geholfen, auch nach der Vertreibung blieben sie ihrer Hauptstadt und ihrem Herrschergeschlecht treu, deshalb sind sie hierher zurückgekehrt und Israel nicht. Ich bin sicher, das war eine Katastrophe für sie, auf einmal allein im Land zu sein, insistiere ich, und Udi wirft mir einen erstaunten Blick zu, weißt du, daß du großartig bist? Du machst dich lustig über mich, sage ich bescheiden, und er streichelt über meine Hand, die neben ihm liegt, nein, ich meine es ernst, du siehst alles von einem menschlichen Standpunkt aus, einem sehr persönlichen, ich fahre pausenlos mit irgendwelchen Gruppen hier herum, und noch nie hat jemand so reagiert wie du, sagt er, ich habe mich nicht umsonst im Alter von zwölf Jahren in dich verliebt, ich habe schon damals gesehen, daß du eine besondere Seele hast, und säuerlich fügt er hinzu, ich habe nur nicht damit gerechnet, daß du sie an diese Versager vergeudest. Hör auf, du machst alles kaputt, ich schlage ihm auf die Hand, und er lächelt mich an, schau dich an, dein Gesicht hat sich fast nicht verändert, du siehst so jung aus,
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