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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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und verlegen wegen des Kompliments protestiere ich schnell, wieso denn, schau nur die Falten unter meinen Augen, und er beharrt, du siehst aus wie ein Mädchen, streite nicht mit mir. Ein süßes Gefühl steigt in mir auf, ich möchte mich in seinen Schmeicheleien ausstrecken und in seiner Liebe versinken, hier neben der Scheibe, die vom Frühlingswind gestreichelt wird, die Augen zumachen und darauf hoffen, daß alles gut wird.
    Du wirst nicht glauben, was es in diesem Kloster dort gibt, er deutet auf ein kleines Gebäude, dessen Kuppel in der weißen Weite der Wüste von Jericho glitzert, die Schädel von Mönchen, die vor Hunderten von Jahren von den Persern umgebracht wurden. Möchtest du sie sehen? Er ist schon bereit, vom Weg abzuweichen, aber mir läuft ein Schauer über den Rücken, nein, wirklich nicht, und er verzichtet mit erstaunlicher Bereitwilligkeit, seine Laune wird immer besser, je weiter wir uns von zu Hause entfernen, seine Haare flattern im Wind, sein Gesicht ist erhitzt, unglaublich, daß dieser Mann noch gestern gelähmt im Krankenhaus lag, ich seufze erleichtert, es ist wirklich ein Wunder, was mit ihm passiert ist, kaum vorstellbar. Ich blicke mich neugierig um, Wunder sind nichts Ungewöhnliches an diesen glänzenden Abhängen, in den Bergen öffnen sich dunkle Löcher wie düstere Augenhöhlen. Diese Höhlen sind sehr alt, sagt Udi, möchtest du hinaufsteigen? Ich weiche zurück, was für eine Idee, aber ich starre weiter in diese leeren Augen, bestimmt haben sie schon wunderbare Dinge gesehen, ich erinnere mich kaum mehr, welche, irgend etwas mit dem Jordan, und ich frage, wo ist denn der Jordan, wir haben ihn noch nicht gesehen, und Udi lacht, das ist das Schöne am Jordan, er ist fast nicht zu sehen, und wem es gelingt, ihn zu sehen, der ist immer enttäuscht, er ist kärglich und bescheiden, und trotzdem habe ich das Gefühl, als liege er rechts von uns, begleite uns, sehnsüchtig erwartet, treu und beständig, mit graugrünen Schritten.
    Was für Wunder sind hier in biblischen Zeiten passiert, frage ich, und er sagt, dieses Gebiet war voller Wunder, vor allem um den Jordan herum, hier gab es viele Propheten, die hungrig waren nach Wundern, hier fuhr Elijahu mit dem Sturm zum Himmel, hier hat Elischa das böse Wasser gesund gemacht, hier hat Na’aman, der Kriegsminister von König Aram, sein Fleisch siebenmal gewaschen und wurde vom Aussatz geheilt, ganz zu schweigen von dem Wunder der Überschreitung des Jordan, das Wasser blieb stehen, und ein ganzes Volk ging trockenen Fußes hinüber, aber von allen Wundern, die er aufzählt, kommt mir das, was uns passiert ist, als das größte und beeindruckendste vor, und nur ab und zu horche ich auf das ständige Gefühl in meinem Innern, leise wie das Wasser des Flusses, der sich verbirgt, vielleicht ist es überhaupt kein Wunder, vielleicht war es von Anfang an auch nur Augenwischerei.
    Wenn einer nicht an Wunder glaubt, frage ich ihn, wie erklärt er dann diese Erscheinungen, gibt es auch eine andere Deutung? Er sagt, es gibt nichts, was sich nur auf eine wundersame Art erklären ließe, man kann immer eine rationale Begründung finden, zum Beispiel, daß es genau zu jenem Zeitpunkt, als die Kinder Israels den Jordan überquerten, zu einem Erdbeben kam und ganze Hügel in den Fluß stürzten und ihn trocken machten, aber ich höre schon nicht mehr zu, ich betrachte seine Lippen, sehe, wie sie die Worte formen. Bestimmt gibt es in jeder Gruppe eine Frau, die sich in dich verliebt, sage ich provozierend, und er lacht, warum nur eine, seine Hand tätschelt meine Oberschenkel, hält sich zwischen ihnen auf, und so mache ich es mit ihnen unterwegs, er öffnet die Knöpfe an meiner Hose, ich lasse mich verwöhnen, woher soll ich wissen, daß es nicht so ist, und er sagt, wenn du das innerlich nicht weißt, weißt du gar nichts. Ich war eigentlich überzeugt, es zu wissen, trotzdem, wer hat ihm beigebracht, während der Fahrt einhändig Knöpfe aufzumachen, aber im Moment kümmert mich das nicht besonders, nicht, wenn er mich so begehrt, mir kommt es vor, als wäre ich eine junge Touristin, begeistert vom Heiligen Land und begeistert von diesem Reiseleiter, der das Land so gut kennt.
    Udi, paß auf, du brauchst zwei Hände zum Lenken, schreie ich, als ein entgegenkommendes Auto hupt, vermutlich waren wir von der Fahrbahn abgekommen, aber er hält mich fest und flüstert voller Verlangen, ich ziehe es vor, dein Lenkrad festzuhalten, das macht mir

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