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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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haben Sie?“
    Paula sah auf. Die Stimme hörte sich trotz ihrer Schnüffelei erstaunlich freundlich an. Mit Schrecken erkannte sie in ihm den großen Mann, dem sie zuvor auf der Treppe im Weg gestanden hatte.
    „Ach, Sie sind das? Entschuldigung, dass ich vorhin im Weg war.“ Paula ärgerte sich sofort über ihren letzten Satz. Warum sagte sie das?
    „Nicht der Rede wert. Ich wollte nur schnell durch ihre stinkende Rauchwolke.“ Dabei verzog der Mann das Gesicht auf eine so grässliche Weise, dass Paula beschloss, ihn nicht zu mögen. Schweigend blickte sie ihn an.
    „Also, Frau Rittner, Sie müssen mir schon sagen, was Sie haben.“
    Er starrte sie gelassen an, während Paula noch die letzte Bemerkung von ihm verdaute. Sie gab sich einen Ruck, immerhin wollte sie etwas von ihm und Schweigen brachte sie hier nicht weiter.
    „Ich fühle mich als wäre ein Zug über mich gefahren. Kopf tut weh, Gliederschmerzen, Fieber. Vermutlich Grippe“, diagnostizierte sie.
    „Na, dann wollen wir mal sehen. Machen Sie bitte Ihren Oberkörper frei, ich will Sie abhorchen.“
    Paula schluckte. Ihr fiel in diesem Moment ein, dass sie aus der Umzugskiste nicht gerade das beste Stück eines BHs erwischt hatte. War das nicht sogar der BH mit dem zerrissenen Träger, den sie notdürftig geflickt hatte? Wie war das noch mal passiert? Es fiel ihr siedend heiß ein. Stefan hatte er geheißen. Sie hatten sich auf einer Party kennengelernt. Damals, nach der Schulzeit. Ach, wie lange war das schon her? Herrje, so alt war der BH schon? Wie peinlich!
    „Frau Rittner?“ Ein leichtes Missfallen in der Stimme des Arztes ermahnte sie zur Eile. „Draußen warten viele Patienten.“
    „Ja, Entschuldigung.“ Schon wieder entschuldigt, das kann doch nicht sein, schimpfte sie mit sich selbst. Das ist nicht mein Tag.
    Widerstandslos ergab sie sich der Untersuchung und folgte den Anweisungen des Arztes: Tief Luft zu holen oder ein langgezogenes „aaaaah“ von sich zu geben. Als er ihre Zunge mit dem Holzlöffelchen nach unten drückte, kündigte sich ein leichter Brechreiz an. Rechtzeitig, bevor es zu Schlimmerem kommen konnte, entfernte er das Holzstück und sie konnte sich wieder anziehen. Währenddessen trug er den Befund auf ihrer Karte ein und schrieb ein Rezept aus. Er reichte es ihr hinüber.
    „Nach einer Grippe sieht das nicht aus, eher nach einer beginnenden Erkältung. Gehen Sie nach Hause und lassen Sie sich pflegen. Brauchen Sie eine Krankmeldung für Ihren Arbeitgeber?“
    „Nein, ich fange erst nächste Woche an. Ich habe einen neuen Job.“ Paula schimpfte sich, du musst keine Konversation mit diesem Mann führen. Das interessiert ihn nicht.
    „Na dann, alles Gute", bemerkte er trotzdem. „Und einen Tipp noch: Die Zigaretten sollten Sie weglassen. Nicht nur jetzt, wo Sie krank sind.“ Er ließ den Satz im Raum hängen und sah sie mit ernstem Gesicht an.
    „Hmmm“, kommentierte Paula lediglich. Sie ließ sich doch nicht von ihm sagen, was sie zu tun hatte.
    „Auf Wiedersehen.“
    Nee, so schnell bestimmt nicht. Wir werden bestimmt keine Freunde werden, resümierte Paula im Stillen.
    „Auf Wiedersehen." Sie verließ das Zimmer und verabschiedete sich von der freundlichen Sprechstundenhilfe am Empfang.
    Draußen holte sie tief Luft und zündete sich wenig später eine Zigarette an. Der kann mich mal, dachte sie. Den darauffolgenden Hustenreiz steckte sie allerdings nicht locker weg und schnippte die Zigarette in den Vorgarten des Hauses. „Heute setze ich mal aus. Aber sonst lasse ich mir von dem doch nichts vorschreiben.“
    Hustend nahm sie den Heimweg in Angriff. Unterwegs verlor sie die Orientierung und verlief sich mehrfach, ehe sie fluchend und zittrig das Haus fand. Das Zücken des Schlüsselbundes bereitete ihr einige Mühe und das Aufschließen der Tür umso mehr.
    Als sie es endlich vollbracht hatte, sah sie sich auf der Schwelle einer alten Dame gegenüber. Paula blickte von weit oben auf die scheinbar geschrumpfte Frau hinab. Die Frau mochte alt sein, aber Paula entgingen nicht die wachen Augen, die sie neugierig musterten.
    „Oh, Entschuldigung", sagte Paula und wollte die Frau vorbeilassen. Warum entschuldigte sie sich eigentlich andauernd, fragte sie sich im gleichen Atemzug.
    „Guten Tag", erwiderte die Dame, „Sie müssen Frau Rittner sein."
    Ich bin bekannt wie ein bunter Hund. Das habe ich wohl der Frau Lindner zu verdanken, die ich gestern kennengelernt habe.
    „Ja, richtig. Ich bin gestern

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