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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Marcus. Aber du zuallererst solltest den Ernst der Lage begreifen. Und es ist dir doch nichts passiert, oder doch? Sie haben dich doch sogar nach Hause gefahren."
    Sie haben gedroht, mich in den Knast zu stecken, dachte ich, aber mir war klar, dass es keinen Zweck hatte, das auszusprechen.
    "Und übrigens hast du uns immer noch nicht erklärt, wo zum Teufel du eigentlich warst, um ein so ungewöhnliches Bewegungsmuster zu erzeugen."
    Das hatte mir grade noch gefehlt.
    "Ich dachte, ihr hättet Vertrauen in mich und wolltet mir nicht hinterherschnüffeln." Das hatte er oft genug gesagt.
    "Willst du wirklich, dass ich dir für jede einzelne Bahnfahrt meines Lebens Rechenschaft ablege?"
    Sobald ich in mein Zimmer kam, stöpselte ich die Xbox ein. Ich hatte den Projektor an der Decke befestigt, um das Bild an die Wand über meinem Bett werfen zu können (dafür hatte ich meinen prächtigen Wandschmuck aus Punkrock-Handzetteln abnehmen müssen, die ich von Telefonmasten abgepult und auf große Blätter weißen Papiers geklebt hatte).
    Ich schaltete die Xbox ein und sah ihr beim Hochfahren zu. Zuerst wollte ich Van und Jolu anmailen, um ihnen von meinem Ärger mit den Bullen zu berichten, aber als ich die Finger schon auf der Tastatur hatte, hielt ich inne.
    Da war plötzlich so ein merkwürdiges Gefühl, ganz ähnlich wie das, als ich merkte, dass sie meinen guten alten Salmagundi in einen Verräter verwandelt hatten. Diesmal war es das Gefühl, dass mein geliebtes Xnet die Koordinaten jedes einzelnen seiner Nutzer ans DHS übertragen könnte.
    Was hatte mein Vater gleich gesagt? "Du sagst dem Computer, er soll ein Profil eines durchschnittlichen Datenbankeintrags erstellen und dann rausfinden, welche Einträge in der Datenbank am stärksten vom Durchschnitt abweichen."
    Das Xnet war sicher, weil seine Benutzer nicht direkt mit dem Internet verbunden waren. Sie hüpften von Xbox zu Xbox, bis sie eine fanden, die mit dem Internet verbunden war, und dann speisten sie ihr Material als unentzifferbare, verschlüsselte Daten ein. Niemand konnte unterscheiden, welche Internet-Datenpakete zum Xnet gehörten und welche ganz normale Bank-, Shopping- oder andere verschlüsselte Kommunikation war. Es war niemandem möglich, herauszufinden, wer das Xnet geknüpft hatte, geschweige denn, wer es benutzte.
    Aber was war mit Dads "Bayesscher Statistik"? Mit Bayesscher Mathematik hatte ich schon mal rumgespielt. Darryl und ich hatten mal versucht, unseren eigenen, besseren Spamfilter zu schreiben, und wenn man Spam filtern will, braucht man Bayessche Mathe. Thomas Bayes war ein britischer Mathematiker des 18. Jahrhunderts, an den nach seinem Tod erst mal niemand mehr dachte, bis Computerwissenschaftler hundert Jahre später entdeckten, dass seine Methode, große Datenmengen statistisch zu analysieren, für die Informations-Gebirge der modernen Welt unglaublich nützlich sein könnten.
    Ganz kurz was darüber, wie Bayessche Statistik funktioniert. Mal angenommen, du hast hier einen Haufen Spam. Dann nimmst du jedes Wort in jeder Mail und zählst, wie oft es vorkommt. Das nennt man ein "Wortfrequenz-Histogramm", und es verrät dir die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine beliebige Ansammlung von Wörtern Spam ist. Dann nimmst du eine Tonne Mails, die kein Spam sind (Experten nennen das "Ham"), und machst mit denen das gleiche.
    Jetzt wartest du auf eine neue E-Mail und zählst die Wörter, die darin vorkommen. Dann benutzt du das Wortfrequenz-Histogramm in der fraglichen Nachricht, um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass sie auf den "Spam"- oder auf den "Ham"-Stapel gehört. Wenn sich herausstellt, dass sie tatsächlich Spam ist, passt du das "Spam"-Histogramm entsprechend an. Es gibt massenhaft Möglichkeiten, diese Technik noch zu verfeinern - Worte paarweise betrachten, alte Daten wieder löschen -, aber im Prinzip funktionierts so. Es ist eine von diesen einfachen, großartigen Ideen, die völlig offensichtlich zu sein scheinen, sobald man das erste Mal davon hört.
    Es gibt dafür ne Menge Anwendungen - man kann einen Computer anweisen, die Linien in einem Foto zu zählen und herauszufinden, ob es eher ein "Hunde"-Linienfrequenz-Histogramm ergibt oder eher ein "Katzen“-Histogramm. Man kann damit Pornografie, Bankbetrügereien oder Flamewars erkennen. Gute Sache.
    Zugleich wars eine schlechte Nachricht für das Xnet. Mal angenommen, du hast das gesamte Internet angezapft - und das DHS hat das natürlich. Dann kannst du zwar,

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