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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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ständig, redeten übers Wetter, die Schule und so Zeug, und dann kam ich irgendwie auf dieses Thema zurück. Vanessa blieb dann cool - noch einmal rastete sie nicht mehr aus -, aber ich merkte, dass es sie aufregte.
    Trotzdem.
    "Und dann sagt mein Vater, ,ich würde es als meine Pflicht betrachten'. Kannst du dir das vorstellen? Ich mein, hallo? Ich hab ihm in dem Moment fast davon erzählt, wie ich im Knast war und ob er meint, dass das auch unsere Pflicht' wäre."
    Wir saßen nach der Schule in Dolores Park im Gras und sahen den Hunden dabei zu, Frisbees zu fangen.
    Van war zu Hause reingesprungen und hatte sich umgezogen - sie trug jetzt ein altes T-Shirt einer ihrer brasilianischen Lieblings-Techno-Brega-Bands, Carioca Proibidão, "der verbotene Typ aus Rio". Das T-Shirt hatte sie bei einer Live-Show gekauft, wo wir alle vor zwei Jahren waren, ein heimlicher Ausflug zu einem großen Abenteuer im Cow Palace; und seither war sie ein, zwei Zoll gewachsen, deshalb saß es knapp überm Bauch und erlaubte Blicke auf ihren flachen kleinen Nabel.
    Sie lag zurückgelehnt in der Sonne, die Augen hinter den Brillengläsern geschlossen, und wackelte in ihren Flip-Flops mit den Zehen. Ich kannte Van schon ewig, und wenn ich an sie dachte, sah ich gewöhnlich das kleine Mädchen mit Hunderten klirrender Armreifen aus aufgeschlitzten Limo-Dosen, das Klavier spielte und ums Verrecken nicht tanzen konnte. Als sie heute in Dolores Park saß, sah ich sie plötzlich so, wie sie war.
    Sie war total h31ß - im Klartext: heiß. Es war so, wie wenn man diese Vase anguckt und plötzlich merkt, dass das ja auch zwei Gesichter sind. Ich sah zwar, dass Van ja eigentlich nur Van war, aber ich konnte jetzt auch sehen, dass sie ne echte Schönheit war, und das war mir bisher noch nie aufgefallen.
    Okay, Darryl hatte das die ganze Zeit schon gewusst, und glaubt mal nicht, dass ich nicht enttäuscht war, das jetzt zu begreifen.
    "Deinem Dad kannst dus nicht erzählen, ist ja klar", sagte sie. "Du würdest uns alle in Gefahr bringen." Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Brust hob und senkte sich im Takt ihres Atems, was mich doch ziemlich aus dem Konzept brachte.
    "Ja", sagte ich düster, "das Problem ist bloß: Ich weiß, dass er totalen Blödsinn redet. Wenn du meinen Dad rauswinkst und von ihm Beweise verlangst, dass er kein kinderschändender, drogendealender Terrorist ist - der würde amoklaufen. Er hasst es schon, in der Warteschleife zu hängen, wenn er wegen seiner Kreditkartenabrechnung telefoniert. Sperr ihn eine Stunde auf einem Autorücksitz ein und verhör ihn, dann kriegt der nen Infarkt."
    "Die kommen ja bloß damit durch, weil die Normalen sich für was Besseres halten als die Unnormalen. Wenn sie jeden rauswinken würden, das wär eine Katastrophe. Niemand würde mehr irgendwo hinkommen, alle würden bloß noch drauf warten, von den Bullen verhört zu werden. Der totale Stau."
    Wow.
    "Van, du bist echt genial", sagte ich.
    "Erzähl mir mehr davon", antwortete sie. Sie lächelte abwesend und blickte mich durch halb geschlossene Augen an, dass es fast schon romantisch war.
    "Ehrlich. Wir können das schaffen. Wir können die Profile ganz einfach durcheinanderbringen. Leute rauswinken zu lassen ist kein Problem."
    Sie setzte sich auf, wischte ihr Haar aus dem Gesicht und sah mich an. Ich spürte einen kleinen Hüpfer im Bauch, weil ich dachte, sie sei schwer beeindruckt von mir.
    "Wir brauchen bloß RFID-Kloner", sagte ich. "Und das ist total einfach. Wir müssen bloß die Firmware auf einen Zehn-Dollar-Leser von Radio Shack flashen. Dann laufen wir rum und vertauschen wahllos die Marker irgendwelcher Leute und überschreiben ihre Fast Passes und FasTraks mit den Codes von anderen Leuten. Dann sieht jeder plötzlich ziemlich merkwürdig aus, und ziemlich kriminell. Und schwupp: der totale Stau!"
    Van verzog die Lippen und setzte die Sonnenbrille wieder auf; ich merkte, dass sie so wütend war, dass sie kein Wort rausbrachte.
    "Machs gut, Marcus", sagte sie und stand auf. Ehe ich mich versah, ging sie davon - so schnell, dass sie fast rannte.
    "Van", rief ich, sprang auf und stürzte hinter ihr her. "Van! Warte doch!" Sie legte noch einen Zahn zu, und ich musste rennen, um ihr zu folgen.
    "Van, was zum Teufel soll das?", sagte ich und schnappte sie am Arm. Sie riss ihn so heftig weg, dass ich mir selbst ins Gesicht schlug.
    "Du bist völlig durchgeknallt, Marcus. Du bringst all deine kleinen Xnet-Kumpel in Lebensgefahr, und

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