Little Brother
Prozent.
Das ist das Paradoxon vom Falsch-Positiven. Wenn du etwas wirklich Seltenes finden willst, dann muss die Genauigkeit deines Tests zu der Seltenheit dessen passen, was du suchst. Wenn du auf einen einzelnen Pixel auf deinem Bildschirm zeigen willst, dann ist ein spitzer Bleistift ein guter Zeiger: Die Spitze ist viel kleiner (viel genauer) als die Pixel. Aber die Bleistiftspitze taugt nichts, wenn du auf ein einzelnes Atom in deinem Bildschirm zeigen willst.
Dafür brauchst du einen Zeiger - einen Test -, der an der Spitze nur ein Atom groß oder kleiner ist.
Das ist das Paradoxon vom Falsch-Positiven, und mit Terrorismus hängt es wie folgt zusammen: Terroristen sind wirklich selten. In einer 20-Millionen-Stadt wie New York gibt es vielleicht einen oder zwei Terroristen. Vielleicht zehn, allerhöchstens. 10/20.000.000 = 0.00005 Prozent. Ein zwanzigtausendstel Prozent.
Das ist wirklich verdammt selten. Und jetzt denk dir eine Software, die alle Bankdaten, Mautdaten, Nahverkehrs-Daten oder Telefondaten der Stadt durchgrasen kann und mit 99-prozentiger Genauigkeit Terroristen erwischt.
In einer Masse von 20 Millionen Leuten wird ein 99 Prozent genauer Test zweihunderttausend Menschen als Terroristen identifizieren. Aber nur zehn davon sind wirklich Terroristen. Um zehn Schurken zu schnappen, muss man also zweihunderttausend Unschuldige rauspicken und unter die Lupe nehmen.
Jetzt kommts: Terrorismus-Tests sind nicht mal annähernd 99 Prozent genau. Eher so was wie 60 Prozent. Manchmal sogar nur 40 Prozent genau.
Und all das bedeutete, dass die Heimatschutzbehörde zum Scheitern verdammt war. Sie versuchte, unglaublich seltene Ereignisse - eine Person ist ein Terrorist - mit unpräzisen Systemen zu erkennen.
Kein Wunder, dass wir es schafften, so ein Chaos zu verbreiten.
[x]
Eines Dienstagmorgens, eine Woche nach Beginn der Operation Falsch-Positiv, kam ich pfeifend aus der Haustür. Ich hörte neue Musik, die ich in der Nacht zuvor aus dem Xnet geladen hatte - eine Menge Leute schickten M1k3y kleine digitale Geschenke, um sich dafür zu bedanken, dass er ihnen wieder Hoffnung gab.
Ich bog auf die 23. Straße ein und nahm vorsichtig die paar schmalen Steinstufen in der Flanke des Hügels. Auf dem Weg runter kam ich an Herrn Dackel vorbei. Herrn Dackels richtigen Namen kenne ich nicht, aber ich sehe ihn fast täglich, wenn er seine drei schnaufenden Dackel die Treppe hoch zu dem kleinen Park führt. Es ist praktisch unmöglich, sich auf der Treppe an dieser Meute vorbeizuquetschen, und so verheddere ich mich regelmäßig in einer Leine, werde in einen Vorgarten abgedrängt oder bleibe an der Stoßstange eines der am Straßenrand parkenden Autos hängen.
Herr Dackel ist offensichtlich sehr wichtig, denn er hat eine schicke Uhr und trägt immer einen eleganten Anzug. Ich ging davon aus, dass er im Finanzdistrikt arbeitete.
Als ich heute an ihm entlangschubberte, löste ich meinen RFID-Kloner aus, der in der Tasche meiner Lederjacke bereit lag. Der Kloner saugte sich die Nummern seiner Kreditkarten, der Autoschlüssel, seines Passes und die der Hundert-Dollar-Noten in seiner Brieftasche.
Während das noch geschah, flashte ich ein paar davon mit neuen Nummern, die ich im Gedränge von anderen Leuten gesaugt hatte. Das war so, wie ein paar Nummernschilder auszutauschen, aber unsichtbar und in Echtzeit. Ich lächelte Herrn Dackel entschuldigend an und ging weiter die Treppe runter. Neben drei Autos blieb ich lange genug stehen, um ihre FasTrak-Nummern gegen die Nummern von Wagen zu tauschen, an denen ich am Tag zuvor vorbeigekommen war.
Man mag das für ziemlich rüpelig halten, aber im Vergleich mit vielen Xnettern war ich noch zurückhaltend und konservativ. Ein paar Mädels im Verfahrenstechnik-Programm an der UC Berkeley hatten ausgetüftelt, wie man aus Küchenartikeln eine harmlose Substanz erzeugt, die Sprengstoff-Sensoren anschlagen ließ. Sie hatten ihren Spaß dabei, das Zeug auf die Aktentaschen und Jacken ihrer Profs zu streuen, um sich dann zu verstecken und zu beobachten, wie diese Profs versuchten, Auditorien und Bibliotheken auf dem Campus zu betreten, nur um von den mittlerweile allgegenwärtigen Sicherheitsdiensten in die Mangel genommen zu werden.
Andere wollten ausprobieren, wie man Umschläge so mit Substanzen pudern könnte, dass sie positiv auf Anthrax getestet würden, aber alle anderen hielten das für bescheuert. Zum Glück hatten sies wohl auch nicht hingekriegt.
Ich kam am
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