Loch
Pistole darauf gerichtet. Nur für den Fall, dass Wes mit einem Messer herausgestürmt kam.
Er streckte die andere Hand aus. Fand in der Dunkelheit den Türknauf. Drehte ihn.
Quietsch.
Das Schloss war alt.
Die Angeln ebenfalls. Die Tür öffnete sich mit einem jammernden Quietschen.
Im Zimmer war es dunkel. Sehr dunkel.
Großer Gott. Es roch seltsam. Als wäre dort ein kranker Hund eingesperrt.
Ein Geruch nach Tier … nach Scheiße.
Norman trat durch die Tür. Er konnte seinen eigenen Arm nicht erkennen, doch die Waffe glitzerte in dem spärlichen Licht, das durch die schweren Vorhänge vor den Fenstern drang.
Was ist das für ein Geräusch?, fragte sich Norman.
Ein Kratzen? Er stellte sich einen kranken Hund vor, der mit den Pfoten am Gitter seines Käfigs schabte.
Oder ist es ein Atmen?
Ein Atmen!
Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, da legte sich ein nasses Etwas um die Hand, in der er die Pistole hielt.
»O Gott«, keuchte er. Das Keuchen wurde zu einem Schrei.
Schmerz schoss durch seine Hand. Er schrie erneut.
Duke stürmte durch die Tür. Im Halbdunkel konnte Norman nur seine Silhouette erkennen. Duke lief zum Fenster, packte die Vorhänge mit beiden Händen und riss sie herunter.
Sonnenlicht strömte herein. In der plötzlichen Helligkeit schloss Norman die Augen, obwohl irgendein Monster auf seiner Hand herumkaute.
Verdammt, es musste ein Alligator, ein Puma oder ein Wolf sein oder …
Er öffnete die Augen.
Oder ein Mensch! Norman stand blinzelnd im grellen Licht und sah, wie ein alter Kauz in einem Schaukelstuhl an seinem Handrücken nagte.
»Scheiße, haltet ihn mir vom Leib!«, schrie er.
Plötzlich schienen alle im Zimmer zu sein.
»Bitte, tut ihm nicht weh!«, rief Nicki.
»Wer zum Teufel ist das?«, fragte Pamela verblüfft.
Duke richtete die Waffe auf ihn.
Der Mann in dem Schaukelstuhl sah aus, als wäre er mindestens neunzig. Sein Schädel war kahl, doch am Hinterkopf und um den Mund herum wucherte dichtes Haar und bildete einen schneeweißen Kragen. Seine Augen waren glitzernde Schlitze in der roten Haut. Darüber spannten sich pelzige weiße Brauen.
»Er beißt mir in meine beschissene Hand!«, jammerte Norman.
»Geh einen Schritt zurück«, sagte Duke. »Ich blas ihm den Kopf weg.«
»Nein, Duke! Meine Hand ist in seinem Mund!«
Nicki und Lauren flehten sie an, dem Mann nichts zu tun.
»Er bohrt seine Zähne durch meine Haut, er bohrt seine Zähne durch meine Haut!«, klagte Norman lauter.
Boots senkte die Pistole, um dem alten Mann in den Bauch zu schießen.
»Bloß nicht, sonst triffst du noch mich«, warnte Norman sie. »Hier!« Er reichte ihr seine Pistole.
Mit der freien Hand konnte er etwas gegen den Mann, der ihn biss, unternehmen. Er stieß seinen Daumen in eines der Schlitzaugen. Warm, weich. Norman drückte fester. Schließlich öffnete der alte Mann mit einem Aufschrei den Mund.
Duke sah Nicki finster an. »Hey, wenn ihr einen Opa habt, müsst ihr ihn auch ab und zu füttern.«
Nicki eilte zu dem alten Mann. »Ihr solltet ihm besser nicht wehtun.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Norman unter Schmerzen. »Der Mistkerl hat mein Blut getrunken. Seht euch das an!«
Er zeigte ihr seine Hand, deren Haut perforiert war. Als er sein Taschentuch daraufdrückte, zuckte er zusammen. »Seht ihr seine Zähne? Der alte Kerl hat Fangzähne.«
»Hey, Norm hat recht«, sagte Duke beeindruckt. »Seht euch die spitzen Zähne an.«
Pamela starrte ebenfalls auf seinen Mund. »Sie sind spitz gefeilt worden.« Sie sah zu Lauren. »Hat er das selbst gemacht?«
Norman war vielleicht der Einzige, der nicht von dem Wolfsgebiss des Alten beeindruckt war. Obwohl der Mann ein Wrack war, waren seine Zähne strahlend weiß und gesund. Und äußerst spitz. Rote Flecken sickerten durch Normans Taschentuch.
»Ich brauche eine Impfung gegen Tetanus«, sagte Norman, »und gegen Tollwut.«
Duke nickte Lauren zu. »Also, wer ist der Alte?«
»Er wird Priest genannt.«
»Priest. Hey, Priest, ich bin Duke.« Duke streckte die Hand aus.
Priest betrachtete sie interessiert aus seinen Schlitzaugen. Eine zähe Flüssigkeit sickerte aus seinen Augen. Besonders aus dem, in das Norman seinen Daumen gestoßen hatte. Dann begann der Alte zu sprechen.
Eine trockene, knarrende Stimme. Wie raschelndes Wüstengestrüpp. »Wollt ihr, dass ich sie alle fresse? Jetzt?«
»Nein, Priest.« Das war Nicki. Sie hockte sich neben den Schaukelstuhl und streichelte den Unterarm des Mannes.
Priest
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