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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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machen! Bleibt sitzen, ich finde allein raus.«
    »Hoppla«, sagte George. »Die Kleine hat Temperament.«
    Ich sah ihn an. Seinen Haarschopf, sein rundes Gesicht, seine alberne kleine Brille – alles an ihm brachte mich auf die Palme. »Das hast du ganz richtig erkannt«, sagte ich. »Komm her, dann zeig ich dir, wie viel Temperament ich habe!«
    George erwiderte ungerührt: »Meinetwegen.«
    »Warum bleibst du dann sitzen?«
    »Das Sofa hat eine Kuhle. Ich muss mich erst hochhieven.«
    »Hört auf, alle beide«, mischte sich Anthony Lockwood ein. »Das hier ist ein Bewerbungsgespräch und kein Boxkampf. George, du hältst die Klappe. Miss Carlyle – ich wollte Sie nicht kränken. Der Test war ernst gemeint und Sie haben ihn mit Bravour bestanden. Sie würden staunen, wie viele der heutigen Bewerberinnen uns wüste Geschichten über Gift, Selbstmord oder Mord aufgetischt haben. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätten wir es mit dem gefährlichsten Zahnputzbecher von ganz London zu tun. Bitte setzen Sie sich wieder und lassen Sie uns weitermachen.«
    Er holte drei neue Gegenstände aus der Schublade und reihte sie vor mir auf: eine Herrenuhr mit goldgerändertem Zifferblatt und abgenutztem braunem Lederarmband, ein rotes Seidenband und ein langes, schlankes Taschenmesser, dessen Griff mit Elfenbeinintarsien verziert war.
    Ich beruhigte mich wieder. Dieser Test war offensichtlich ernst gemeint. Ich warf George einen letzten giftigen Blick zu, dann schob ich die drei Gegenstände ein bisschen auseinander, damit die verborgenen Signale, soweit vorhanden, einander nicht überlagerten. Ich konzentrierte mich wieder und nahm die Gegenstände einen nach dem anderen in die Hand.
    Ich ließ mir Zeit und überprüfte jeden Gegenstand dreimal.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, hatte sich George ein Comicheft geholt und las. Lockwood saß in unveränderter Haltung da, hatte die Hände gefaltet und beobachtete mich.
    Ich trank einen großen Schluck von meinem inzwischen kalt gewordenen Tee. »Hat irgendeine der anderen Bewerberinnen diesen Test bestanden?«, erkundigte ich mich.
    Lockwood gab die Frage zurück. »Ist es Ihnen denn gelungen?«
    »Die Echos waren schwer voneinander zu trennen. Das war vermutlich beabsichtigt, als Sie mir drei Sachen auf einmal hingelegt haben. Womit soll ich anfangen?«
    »Mit dem Messer.«
    »Gut. Das Messer gibt sehr gegensätzliche Echos wieder: Männergelächter, Schüsse und – hier bin ich allerdings nicht ganz sicher – Vogelgezwitscher. Wenn das Messer mit einem Todesfall zu tun hat, wovon ich ausgehe, denn sonst hätte ich gar nichts wahrgenommen, waren die Umstände nicht gewaltsam. Was ich gespürt habe, war eher friedlich, beinahe glücklich.«
    Lockwoods Miene verriet nicht, ob ich recht hatte. »Und das Band?«
    »Die Spuren an dem Band sind schwächer, aber mit stärkeren Gefühlen verbunden. Ich habe ein Schluchzen gehört, aber nur sehr undeutlich. Und ich habe eine überwältigende Traurigkeit gespürt. Als ich das Band in der Hand hielt, meinte ich, mir müsste das Herz brechen.«
    »Und was ist mit der Uhr?« Lockwood ließ mich nicht aus den Augen. George las immer noch seinen Comic und blätterte träge eine Seite um.
    »Die Uhr …« Ich holte tief Luft. »Die Spuren an der Uhr sind noch schwächer als die an dem Band und dem Messer, was die Vermutung nahelegt, der Besitzer ist entweder noch nicht gestorben oder, als er sie gerade nicht trug. Trotzdem haften ihr Todesspuren an. Eine Menge davon. Hier war … Gewalt im Spiel. Ich habe laute Stimmen gehört und … und Schreie … und …« Mein Blick fiel wieder auf die Uhr, wie sie da sanft schimmernd auf dem Sofatisch lag, und ich erschauerte. Jeder Fleck auf dem Gold, jede Schramme auf dem Armband erfüllte mich mit Grauen. »Ich konnte sie nicht lange in der Hand halten«, fuhr ich fort. »Ich weiß nicht, wo Sie die Uhr herhaben oder was damit los ist, aber sie ist auf keinen Fall ein geeignetes Testobjekt für ein Bewerbungsgespräch.«
    Ich nahm mir die letzten beiden Kekse und lehnte mich kauend zurück. Es war einer dieser Augenblicke, in denen einen so eine Alles-scheißegal -Welle erfasst, mit sich davonträgt und einen gemütlich auf dem Rücken treibend in den Himmel schauen lässt. Ich war völlig erledigt. Sieben Bewerbungsgespräche in ebenso vielen Tagen. Ich hatte mein Bestes gegeben. Wenn ich damit Lockwood und den blöden George nicht überzeugen konnte, waren sie selber schuld.
    Eine Weile sagte

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