Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Kinder – da ist es nicht weit her mit der Einsamkeit.«
»Nun ja, gewiß«, druckste Sylvia, »aber eine junge Frau verlangt schließlich noch nach anderer Gesellschaft.«
Eleanor schien nicht zu begreifen. »Wieso?« sagte sie, »ich habe die entzückendste Gesellschaft, die eine Frau nur haben kann: meine Kinder!«
Sylvias Augen huschten unruhig im Zimmer umher und blieben dann wieder auf Eleanor haften. »Ich wollte dich schon längst einmal besuchen, liebes Kind«, sagte sie, »ich habe es immer wieder aufgeschoben. Manchmal ist es schwer, zu erkennen, was die Pflicht von einem verlangt. Es bleibt immer schwierig, heikle Probleme zur Sprache zu bringen, auch wenn man von den reinsten und edelsten Motiven geleitet wird. Schließlich habe ich mich dann doch durchgerungen. Zu deinem Besten, Eleanor.«
Sie hätte sich wunderbar zu einem Zahnarzt geeignet, dachte Eleanor; es würde ihr eine Wonne sein, stundenlang in einem kranken Zahn herumzubohren; sie äußerte sich im übrigen nicht.
Sylvias sanfte, monotone Stimme plätscherte weiter. Sie spielte mit ihrem Opfer wie die Katze mit der Maus. Eleanor hörte zu und schien völlig empfindungslos; von dem Groll, der tief in ihr brannte, spürte man nichts.
„Wir waren alle so glücklich damals, als ihr heiratetet«, sagte Sylvia weinerlich, »obgleich wir uns andererseits ja auch Gedanken machten – du hast sicherlich nichts davon bemerkt, und ich wäre gewiß die letzte, die etwas davon erwähnte, wenn es nun nicht doch an der Zeit schiene – –«
»Was meinst du denn, Cousine Sylvia?« fragte Eleanor mit ihrem höflichen ausdruckslosen Gesicht.
»Ja, meine Liebe«, seufzte Sylvia, »du brauchst nicht so ein bestürztes Gesicht zu machen. Du bist ein liebes, gut erzogenes Mädchen, und deine Eltern sind sicherlich sehr verdienstvolle Leute. Vor allem dein Vater verdient jede Anerkennung für seine phantastische Laufbahn. Wir sind sehr stolz, daß unser Land Männern wie ihm die Gelegenheit bietet, sich emporzuarbeiten! Wirklich, in diesen Dingen ist Amerika groß. Und ich bin sicher, deine Vorfahren waren ausnahmslos tadellose Leute. Habe ich nicht recht, Eleanor?«
Das Lächeln blieb unverändert: »Bei uns zu Hause zollt man den Toten nicht mehr viel Aufmerksamkeit, Cousine Sylvia, man sieht nur zu, daß sie anständig beerdigt werden.«
»Ah!« murmelte Sylvia. Sie glitt ein wenig unruhig auf ihrem Sessel hin und her, und es sah aus, als wisse sie nicht mehr recht, wie sie das Verhalten ihres Opfers beurteilen solle. Indessen war sie weit entfernt davon, ihr Ziel aus dem Auge zu verlieren. »Ich habe dir das alles gesagt, liebe Eleanor«, fuhr sie fort, »nicht etwa, um dich zu verletzen – ich wäre sehr unglücklich, wenn ich dich verletzt haben sollte –, sondern um dich so vorsichtig wie möglich auf das – nun ja, auf ein gewisses dummes Geschwätz aufmerksam zu machen, das da neulich im Gange war.« Sie schwieg und starrte Eleanor an; die mußte sich doch nun endlich äußern. Aber Eleanor dachte gar nicht daran, und so fuhr sie denn seufzend fort: »Oh, meine Liebe, wenn du wüßtest, wie es mich schmerzt, dir so etwas erzählen zu müssen. Weißt du, es hat da genug boshafte Leute gegeben, die erklärten, ein Mann könne nicht gezwungen werden, gegen seinen Willen zu seiner Familie zurückzukehren. Wie kann jemand nur so grausam sein! Wie kann ein Mensch nur ein Interesse daran haben, sich mit bösartigem Geklatsche in die innersten Beziehungen anderer Menschen zu mischen?« Sie machte eine dramatische Pause und sah Eleanor an.
»Ja«, sagte Eleanor, »ich verstehe es auch nicht. Vielleicht kannst du es erklären.«
»Nein, Eleanor, das kann ich nicht. Ich werde so etwas niemals verstehen. Ach, mein liebes Kind, wenn du wüßtest, wie mein Herz um deinetwillen schon geblutet hat!« Sie wartete wieder einen Augenblick, und als Eleanor durchaus keine Anstalten machte, sich zu äußern, setzte sie hinzu: »Aber vielleicht weißt du gar nicht, wovon ich rede?«
»Wie sollte ich denn?« sagte Eleanor.
»In der Tat!« bestätigte Sylvia, »wie solltest du! Wie könntest du überhaupt! Ach, ich habe das gefürchtet, und ich hatte eine Scheu davor, mit dir über diese Dinge zu sprechen, ich habe gebetet, daß der Kelch von mir genommen werden möchte, aber schließlich war das Pflichtgefühl stärker in mir; ich wußte: Ich muß es dir sagen. Es ist ja offensichtlich niemand außer mir da, der es täte. Oh, wie bin ich immer wieder
Weitere Kostenlose Bücher