Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
meinem Zimmer ist es warm.«
Sie machte einen eleganten und zugleich lieblichen Eindruck in ihrem dunkelgrünen, mit Eichhörnchenpelz abgesetzten Kostüm. Eleanor war sich bewußt, daß sie selber nicht nur verlassen war, sondern gegenwärtig zweifellos auch einen scheußlichen und lächerlichen Anblick bieten mußte. Ihr Haar war an den Wangen wie angeklebt, ihr Rock war über und über bespritzt und verschmutzt, und ihre Schuhe waren derart verkrustet, daß es unmöglich war, auch nur noch die Farbe des Leders festzustellen. Sie hatten widerliche Spuren auf den Fußboden gezeichnet. »Ich kann hier warten«, sagte sie. »Ich würde nur Ihre Möbel ruinieren, wenn ich versuchen würde, mich irgendwo hinzusetzen.«
»Seien Sie vernünftig«, sagte Isabel. »Wenn Sie jetzt nicht warm werden, bekommen Sie das Fieber. Kommen Sie mit zum Kaminfeuer; Ophelia wird uns heiße Limonade bringen.«
Das Elend war stärker als der Wille. Eleanor fühlte sich zitternd und zähneklappernd vorwärtsgetrieben. Es kam ihr flüchtig der Gedanke, Isabel könne einen bestimmten Grund haben, sie zum Bleiben zu bewegen. Andernfalls hätte sie das Auto wohl nicht fortzuschicken brauchen. Nie hätte Eleanor geglaubt, in die Lage zu kommen, ausgerechnet von Isabel Valcour Gastfreundschaft erbitten und entgegennehmen zu müssen. Aber wie die Dinge augenblicklich lagen, ging es wohl nicht anders, und es handelte sich ja auch nur um wenige Minuten, bis das Auto von Ardeith dasein würde. Zudem sagte ihr ihre Vernunft, daß Isabel recht behalten und sie krank werden würde, wenn sie jetzt nicht dafür sorgte, in Wärme und Trockenheit zu kommen. Sie folgte Isabel die Treppe hinauf.
Isabel öffnete die Tür ihres Schlafzimmers. Hinter dem Kamingitter brannte ein knisterndes Feuer, und Eleanor hatte das Gefühl, nie zuvor ein Kaminfeuer mit dankbareren Augen betrachtet zu haben. Isabel nahm ihren Hut ab und zog ihre Handschuhe aus und machte ein paar gleichgültige Bemerkungen über das Wetter.
Im Parterre hatte sich Eleanor noch zu unbehaglich gefühlt, um auf ihre Umgebung zu achten, jetzt, da ihre steifen Finger sich zu wärmen begannen, sah sie sich um. Das Zimmer war angefüllt mit Möbeln im Stil der Vorbürgerkriegszeit. Daneben sah man überall die Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstände einer modernen Frau, die die Hälfte ihrer Zeit darauf verwandte, ihre Person zu pflegen. Da stand ein großes vierpfostiges Himmelbett, eine Kommode mit Marmorplatte, ein Ankleideschrank mit Spiegeln in den Türen, mehrere kleine Tischchen und Stühle aus Rosenholz mit gepolsterten Sitzen. Auf der Kommodenplatte standen und lagen in wirrem Durcheinander zahllose Puderdosen, Zerstäuber und Flakons aller Art. Ein wattierter blauseidener Morgenrock lag über dem Bett, und ein Paar zierlicher blauer Pantoffeln standen am Bettrand. Als Isabel ihren Hut in den Kleiderschrank legte, mußte Eleanor wieder niesen.
»Wollen Sie nicht Ihre nassen Sachen ablegen?« sagte Isabel in so drängendem Ton, daß Eleanor sich fragte, ob sie wohl bange sei, sie möchte hier zusammenbrechen und gestrandeterweise eine Woche oder länger hierblieben müssen. Inzwischen hatte Isabel, ohne eine Antwort abzuwarten, die Tür zu dem anstoßenden Badezimmer geöffnet und begann drinnen bereits die Hähne aufzudrehen. »Kommen Sie herein«, rief sie, »die Einrichtung hier ist noch ein bißchen altes Amerika, aber heißes Wasser ist jedenfalls reichlich da.«
Eleanor sagte sich, daß Nässe und Unbequemlichkeit ihre Nerven über Gebühr quälen und beanspruchen würden, deshalb nahm sie zusammen, was von ihrer Selbstsicherheit übriggeblieben war, und betrat das Badezimmer. »Vielen Dank«, sagte sie, »aber zunächst möchte ich doch telefonieren.«
»Ophelia wird anrufen und veranlassen, daß Ihnen das Auto geschickt wird«, sagte Isabel und brachte den blauen Morgenrock und die dazugehörigen Pantoffel herbei. »Ziehen Sie das dann an«, setzte sie hinzu, »ich lasse Ihre Kleider inzwischen trocknen und bügeln. Da ist Ophelia ja schon.«
Das Mädchen kam soeben mit einer Thermosflasche und zwei Gläsern herein. Ein paar Augenblicke später händigte Eleanor ihr ihre Kleidungsstücke aus. Sie selbst stieg in die Badewanne. Als das warme Wasser wohlig ihren Körper überspülte und ihre Gänsehaut beseitigte, begann ihre innere Sicherheit wieder zu wachsen. Sie dachte mit leiser Verwunderung darüber nach, was Isabel und sie einander wohl sagen würden. Das Geschehen hatte
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