Ludlum Robert - Covert 03
umrunden, um es aus neuer Perspektive zu beobachten. Jetzt, wo es spät geworden war und nur noch wenige Menschen die Straßen und Plätze bevölkerten, war Toledo eine völlig andere Stadt geworden. Es lag jetzt ruhig und beschaulich da und erinnerte an eines der vom Mondlicht durchwobenen Gemälde El Grecos.
Als er jedoch die Plaza verließ, sah er vier Männer, die aus dem Gewirr der Straßen und Gassen hervortraten. Einen von ihnen, einen kräftig gebauten pockennarbigen Burschen, erkannte er wieder; es war einer der Entführer Thérèse Chambords. Dann war da auch der Mann, den er auf dem Foto des in Paris verhafteten Basken wiedererkannt hatte. Die Schwarze Flamme. Sie suchten ihn.
Als die vier Baskenkiller Smith umringten, hob er seine Stimme und sprach gerade laut genug, dass sie ihn hören konnten. »Wer von Ihnen ist Elizondo?«, fragte er in spanischer Sprache. »Ich möchte nur mit ihm reden. Es wird sich für euch alle lohnen. Wie ist es, Elizondo?«
Keiner gab Antwort. Mit finsteren Blicken rückten sie näher, die Pistolen in der Hand, noch nach unten gerichtet, aber bereit, sie jederzeit hochzureißen und zu schießen. Rings um sie türmten sich die historischen Gebäude wie böse Geisterschlösser aus einer anderen Welt auf.
»Stehen bleiben«, warnte Smith und hob seine mit einem Schalldämpfer versehene Sig Sauer.
Aber die Waffe reichte nicht aus, um die Männer abzuschrecken. Man konnte zwar sehen, wie sich ihre Muskeln spannten, aber der Kreis um Smith wurde immer kleiner, zog sich zu wie eine Garrotte. Die Blicke von dreien der Männer wanderten zu einem drahtigen älteren Mann, der eine rote Baskenmütze trug.
Smith studierte die vier noch eine Sekunde lang und versuchte seine Chancen einzuschätzen. Im Hintergrund war immer noch der rhythmische Klang der Merengue zu hören, als er plötzlich herumwirbelte und losrannte. In dem Augenblick trat ein fünfter älterer Mann plötzlich etwa zehn Meter vor ihm aus einer Seitengasse, um ihm den Weg zu versperren. Hinter ihm hallten die schnellen Schritte der Terroristen auf dem Kopfsteinpflaster. Smith’ Herzschlag beschleunigte sich, und er schlug einen Haken, bog in die erste Seitengasse ein, die sich ihm bot, und rannte so schnell er konnte, weg von den Verfolgern.
Ein großer, schon etwas älterer anglikanischer Priester versteckte sich im Eingang eines geschlossenen estanco, eines Tabakladens, aus dem der süßlich aromatische Duft der Ware drang. In seinem schwarzen Priesterhabit war er in der Finsternis kaum zu sehen, nur sein weißer Priesterkragen reflektierte das Licht.
Er hatte die Männer von dem Haus des Basken aus, der in Paris verhaftet worden war, beschattet. Als sie hinter einem Torbogen verschwanden und Deckung suchten, hätte ein zufällig vorbeikommender Passant zu seinem Erstaunen, vielleicht sogar verärgert hören können, wie der Mann im Priesteranzug höchst unpriesterlich murmelte: »Scheiße! Was zur Hölle haben die jetzt wieder vor?«
Der unechte Priester hatte gehofft, eine Zusammenkunft der Verschwörer belauschen und das erfahren zu können, was ihn nach Toledo geführt hatte. Aber was er jetzt sah, war keine Zusammenkunft. Der baskische Terrorist, den er in Paris erkannt hatte, Elizondo Ibargüengoitia, hatte ihn zuerst nach San Sebastian und dann weiter hierher nach Toledo geführt, aber von der gekidnappten Frau war keine Spur zu finden gewesen. Und auch sonst nichts, was den Verdacht der Vorgesetzten des Priesters bestätigt hätte.
Er begann allmählich, ärgerlich zu werden, verstimmt über so viel Unsinn. Gefährlichen Unsinn, wie er fand. Und deshalb hielt er auch etwas in der Hand, was auch höchst unpriesterlich war – eine mit einem Schalldämpfer ausgestattete 9-mm-Glock.
Diesmal brauchte er nicht lange zu warten. Ein athletisch gebauter Mann tauchte auf der Plaza auf.
»Verdammt!«, brummte der falsche Priester überrascht.
Kurz darauf traten die fünf Basken ebenfalls auf die Straße hinaus, einer nach dem anderen. Jeder von ihnen hielt eine Pistole in der Hand, hielt sie diskret gesenkt, jederzeit einsatzbereit, aber für einen unbefangenen Beobachter kaum sichtbar. Der Priester verließ die schützende Türnische.
Als Smith etwa die halbe Länge der Gasse gerannt war, presste er sich an die Mauer, die Sig Sauer mit beiden Händen vor sich haltend. Er konzentrierte sich auf die Mündung der Gasse, in die er gerade eingedrungen war. Drei Touristen – ein gut gekleideter Mann und zwei junge
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