Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
Die Wahrheit war entsetzlicher.
Jeffrey Mark hatte ihm Lydias Telefonnummer gegeben. Morrow zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer. Es klingelte ein paarmal, bevor Lydia sich meldete.
»Sie und Jeffrey sollten zur Wache kommen. Wie es aussieht, haben wir Maria Lopez’ Leiche gefunden.«
»Ich will sehen, wo er sie abgelegt hat. Sie haben die Leiche doch noch nicht bewegt, oder?«
»Nein, aber …« Morrow wollte nicht, dass Lydia am Fundort auftauchte. Er hatte sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt, aber das hieß noch lange nicht, dass sie und Jeffrey einen Platz in der ersten Reihe bekamen.
»Gut«, sagte sie, als spräche sie mit einem Studenten. »Wo kann ich Sie finden?«
Er wies sie an, auf dem Highway 64 nach Norden zu fahren; er würde einen Streifenwagen an die Straße schicken, der ihr und Jeffrey den Weg zu der abgelegenen Stelle im Wald zeigte.
»Okay, bis gleich.« Sie legte auf. Von Lydia Strong Höflichkeit zu erwarten, war zu viel verlangt.
Eine Stunde später hatten sie die Fundstelle erreicht. Lydia ging wortlos an Chief Morrow vorbei zu der abgedeckten Leiche. Sie bat einen Polizisten um ein Paar Einmalhandschuhe und zog die Plastikplane zur Seite.
»Ist diese Plane steril? Falls nicht, haben Sie die Spuren verunreinigt.«
»Ja, Madam.«
» Ja was?«
»Ja, sie ist steril.«
Genau deswegen wollte Morrow sie nicht hier haben. Sie schaute ihm auf die Finger und kommentierte jeden seiner Schritte. Sie wartete nur darauf, dass er einen Fehler machte, um ihn noch einmal – und diesmal endgültig – zu ruinieren.
»Hey, Chief.« Jeff stellte sich neben Morrow. »Wer hat Sie angerufen?«
»Ein paar Jäger aus New York. Waren auf der Suche nach ein paar stattlichen Hirschen und haben stattdessen die Leiche gefunden.« Er zeigte zu einer Gruppe von Männern hinüber, die trotz ihrer wettergegerbten Haut, den Gewehren und den knalligen Warnwesten blass und verstört wirkten.
Lydia betrachtete die grotesk zugerichtete Leiche. Die Kehle war durchgeschnitten, der Bauch vom Brustbein bis zum Nabel aufgeschlitzt. Die glasigen, starren Augen waren weit aufgerissen und die Haut an manchen Stellen schwarzblau angelaufen. Der Killer hatte die Tote achtlos weggeworfen. Der rücksichtslose Umgang mit dem Opfer verriet Lydia, dass der Mörder Maria Lopez nicht näher gekannt hatte. Er hatte sie wie Abfall behandelt. Der Mörder schien die Kontrolle verloren zu haben, denn offenbar war er von seinen Gefühlen überwältigt worden und hatte Maria brutal abgeschlachtet. Vielleicht wurde er auch nur übermütig, weil er drei Morde begangen hatte und immer noch nicht aufgeflogen war.
Der leblose Körper, der zu einer leeren Hülle geworden war, berührte Lydia genauso wenig wie ein einsamer Schuh auf dem Gehweg. Sie richtete sich auf und ging um die Leiche herum. Es war der Fundort, nicht der Tatort, dazu gab es zu wenig Blut. Der Mörder hatte sie hier abgelegt und den Reißverschluss des Leichensacks geöffnet in der Hoffnung, die wilden Tiere fänden sie zuerst.
Seit Marias Verschwinden hatte es zwar nicht mehr geregnet, aber der Waldboden war weich und feucht. Mit etwas Glück fanden sie Spuren – Fußabdrücke, Reifenspuren. Der Mörder hatte nur einen Teil der Strecke mit dem Auto zurückgelegt. Er musste seinen Wagen unten an der Schotterstraße abgestellt und die Leiche den bewaldeten Hügel hinaufgetragen haben, den Lydia und Jeffrey eben erklommen hatten. Kannte er sich hier aus? Oder war er tagsüber hergekommen und hatte gehofft, die Leiche unbemerkt entsorgen zu können? Das wäre mehr als riskant gewesen. Wahrscheinlich hatte er auf einem Zeltplatz übernachtet und die Leiche im Schutz der Dunkelheit fortgeschafft. Lydia fragte sich, ob die Parkbesucher sich anmelden mussten und ob jemand die Nummernschilder notierte.
»Lydia, sieh dir das an!«, rief Jeffrey plötzlich.
Lydia ging zu ihm. Er bog ein paar Zweige beiseite und zeigte ihr einen halben Fußabdruck. Der Wind hatte die Spur fast verwischt, aber unter dem Gebüsch war der Abdruck eines Männerstiefels erhalten geblieben. Lydia sah zu den Jägern hinüber.
»Könnte von einem der Männer stammen, oder von anderen Jägern. Wir sollten uns ihre Stiefel ansehen, bevor sie gehen.«
»Meine Herren, würden Sie kurz rüberkommen?«
Die Männer zogen nacheinander den rechten Stiefel aus und hielten ihn über den Abdruck. Keine Übereinstimmung.
Der Tatortfotograf schoss ein paar Bilder nach Jeffreys
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