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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Norden, mit einem Vorsprung von bereits gut zweihundert Schritt! Zwar hemmten sie das Packpferd, das Aillas an ihr Pferd gebunden hatte, sowie sein eigenes Pferd, das er an das Packpferd gebunden hatte, aber ihre Geschwindigkeit hätte gewiß ausgereicht, ihn abzuhängen, wäre da nicht Torquals Pferd gewesen.
    Tatzel blickte über die Schulter zurück; Aillas sah den verzweifelten Ausdruck in ihrem Gesicht, und wäre da nicht die Freude über seinen Sieg über Torqual gewesen, er wäre noch wütender geworden, als er es schon war.
    Er band Torquals Pferd los, schwang sich in den Sattel und jagte ihr nach. Und erneut stieg Wut in ihm hoch, daß Tatzel den Weg nach Norden gewählt hatte, noch tiefer in die Wildnis, die sich bis zur godelischen Grenze erstreckte.
    Bei dem Gedanken kam ihm eine neue Idee in den Sinn, die er einen Moment in Betracht zog und dann wieder verwarf. Sie war zu verrückt, zu dreist, und zudem wahrscheinlich undurchführbar ... Aber der Gedanke kehrte wieder. War es wirklich undurchführbar? Wahrscheinlich ja, und überdies höchst leichtsinnig. Andererseits war es letzten Endes vielleicht der kühnste und mutigste Streich von allen.
    Tatzel ritt mit grimmiger Entschlossenheit weiter, darauf hoffend, daß Aillas' Pferd vielleicht strauchelte und sich ein Bein brach. Sie hatte einen großen Vorsprung; es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Aillas sie schließlich einholte. Wortlos griff er ihr in den Zügel und brachte ihr Pferd zum Stehen.
    Tatzel starrte ihn wütend an, sagte aber nichts. Im Schein des Abendrots schlug Aillas das Lager in einem kleinen Lärchenwäldchen auf, und an diesem Abend taten sie sich an Torquals eingemachter Gans gütlich.
     

Kapitel 12

I
    Der Wind blies über das Hochmoor und fuhr seufzend und ächzend durch die Lärchenbäume. Aillas lag unter der Persenning, eine grimmig vor sich hin starrende, dumpf brütende Tatzel an seiner Seite, und betrachtete die Wolken, die vor dem Mond dahinjagten.
    Es gab viel zu überlegen. Es war gut möglich, daß seine Abwesenheit noch gar nicht bemerkt worden war, da jeder von seinen Leuten glauben mußte, daß er sich woanders aufhielt. Dennoch, wenn er alles gegeneinander abwog – hier lächelte Aillas wehmütig den Mond an –, er hätte dasselbe jederzeit wieder getan und dieselben Strapazen jederzeit wieder ertragen, und wenn es nur gewesen wäre, um jene frischen Eindrücke zu gewinnen, die einiges von dem Wirrwarr aus seinen Gedanken verscheucht hatten. Darüber hinaus war ihm ein wundervoller neuer Plan in den Sinn gekommen, ein Plan, der Tatzel neue Verwirrung bringen würde; bei der Vorstellung mußte er laut kichern.
    Tatzel, die ebenfalls wach lag und den Mond anstarrte, fand Aillas' Fröhlichkeit vollkommen deplaziert angesichts ihrer eigenen düsteren Stimmung. Sie fragte vorwurfsvoll: »Warum lacht Ihr?« Als Aillas nicht sogleich antwortete, fügte sie hinzu: »Wenn Menschen ihrer Sinne beraubt sind, lachen sie den Mond an.«
    Aillas kicherte erneut. »Deine Undankbarkeit hat mir das Hirn gerinnen lassen. Ich lache, damit ich nicht weine.«
    Tatzel stieß ein verächtliches Knurren aus. »Ihr seid vor Eitelkeit aufgebläht, weil Torqual strauchelte und fiel.«
    »Armer Torqual! Ich hätte ihn warnen müssen, daß es gefährlich sein kann, mit Fremden zu kämpfen. Guter, braver, ach so liebenswerter Torqual! Dein Ableben 19 trifft uns alle tief!«
    Tatzel sagte nichts mehr, und so verging denn die Nacht.
    Als sie am Morgen vor einem kleinen, qualmenden Feuer kauernd ihr Frühstück verzehrten, blickte Aillas über das Moor und gewahrte, kaum eine halbe Meile entfernt, eine Ska-Karawane aus einem Dutzend hoch beladener Wagen und dahinter eine Kolonne von zwei oder drei Dutzend Männern, deren Hälse mit Stricken miteinander verbunden waren.
    Aillas löschte sofort das Feuer, damit die Rauchfahne sie nicht verriet. Er sagte zu Tatzel: »Dort hinten verläuft der Windige Weg; er führt nach Poëlitetz. Ich bin schon einmal über diesen Weg gegangen.«
    Tatzel schaute der Karawane sehnsüchtig nach, und Aillas konnte sich eines Gefühls von Mitleid und sogar eines leisen Schuldgefühls nicht erwehren. War es gerecht, alles Böse, was ihm durch die Ska widerfahren war, an diesem einen jungen Mädchen zu vergelten?
    Er gab sich wütend selbst Antwort auf diese Frage: Warum nicht? Sie war eine Ska; sie teilte die Philosophie der Ska und hieß sie gut; sie hatte niemals auch nur ein Fünkchen Mitgefühl mit den Sklaven auf

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