Madame Fabienne
diesen Breuer in ein Gespräch verwickeln. Es müsste nur so aussehen, als wäre es freundschaftlich und harmlos, aber auch das ließe sich machen.
*
Fabienne trank ein Schlückchen von ihrem Cappuccino und warf noch einen Blick auf die anderen Kunden, doch außer Jean Claude schien niemand sie zu beachten. Warum war er ihr wohl auch diesmal ins Café gefolgt? Ob er selbst wissen wollte, was hier vor sich ging, oder hatte es die Fabrik ihm aufgetragen? Schade, dass die Distanz zu weit war, um seine Gedanken zu lesen.
Er sah nun wieder in ihre Richtung, doch sie mied seinen Blick.
Wo blieb nur Hasan? Wahrscheinlich war er jetzt schon zehn Minuten weg, was doch recht lange war, um nur mal auf die Toilette zu gehen. Sie konnte deutlich spüren, dass er sie begehrte, aber ihre Manipulation hatte ihn auch krank gemacht: Das dürfte nicht zu weit gehen, oder er würde umkippen. Ob es hier einen zweiten Ausgang gab? Er war doch nicht abgehauen, oder?
Das Café war etwa zur Hälfte besetzt, und die Stimmen der anderen Kunden mischten sich mit der Musik, die im Hintergrund lief. Sie hatte sich extra diese Tischnische ausgesucht, weil sie so auch den Eingang im Auge behalten konnte. Außerdem waren sie hier von den anderen Gästen ein bisschen isoliert, aber man konnte sie leider immer noch sehen.
Es blieb also das Risiko, dass jemand bemerken würde, wenn sie versuchte, Hasan zu manipulieren.
Die Tür am Ende des Lokals ging nun auf, und Hasan erschien wieder. Als er auf sie zuging, fummelte er an seiner Krawatte herum, und einen Moment hatte man den Eindruck, er wäre nervös. Er lächelte ihr nun zu, aber man konnte sehen, dass etwas nicht stimmte. Im Gesicht war er auch zu blass, und Schweiß glänzte auf seiner Stirn.
Er setzte sich ihr gegenüber und trank den Rest aus seinem Gläschen: "Ah, schon leer." Er winkte dem Kellner und bestellte noch einen Tee, dann wandte er sich wieder ihr zu: "Im Büro gibt es zur Zeit ne Menge Ärger, und das bleibt an einem haften."
"Das kann ich verstehen." Ob die Fabrik ihm schon ein Angebot gemacht hatte? Hoffentlich nicht, denn sie brauchte noch ein bisschen Zeit mit ihm. Sie beugte sich ein Stück über den Tisch und war jetzt nahe bei ihm; ihr Blick drang in seine dunklen Augen, und sie schickte ihre Gedanken los: Verkauf deine Firma, wenn das Angebot kommt.
Sie verstärkte den Druck, und ihm klappte der Unterkiefer nach unten. Ein bisschen Speichel rann ihm über die Lippen und tropfte aufs Hemd. Als der Kellner kam, musste sie den Angriff abbrechen und lehnte sich auf der gepolsterten Sitzbank zurück. Hatte der Mann etwas bemerkt? Wahrscheinlich nicht, denn er servierte den Tee und verschwand gleich wieder.
Hasan wandte sich ihr zu und fing an, den Knoten an seiner Krawatte zu lockern: "Heiß hier drinnen, nicht wahr?"
Ihr Blick drang wieder in ihn ein, doch diesmal glitt ihm der kleine Löffel aus den Fingern, und es gab ein spitzes Geräusch, als das Metall auf die Fliesen schlug. Der Kellner befand sich ganz in ihrer Nähe und sah zu ihnen, also musste sie ihren Angriff wieder abbrechen.
Hasan fing an zu husten und grinste für einen Moment. Ob er etwas bemerkt hatte? Er hob den Löffel auf und strich sich den Schweiß von der Stirn: "Hast du heute Abend schon was vor?"
Es war ein gutes Zeichen, dass er sie mit du angesprochen hatte; er wollte sie haben. Seine Augen sahen allerdings ganz wässrig aus, und seine Wangen schienen ihr hohler zu sein als sonst. Er rührte mit dem Löffelchen den Tee um, und manchmal hörte man, wie er atmete.
Sie griff wieder an und konnte diesmal spüren, wie sein Wille zerbrach: Der kleine Löffel fiel ihm wieder aus der Hand, blieb aber diesmal auf der Tischdecke liegen, dabei gab es zwei oder drei Teeflecke auf dem weißen Stoff. Sie konzentrierte sich und fing an, ihm ihre Gedanken aufzuzwingen: Du machst, was ich dir auftrage. Du wirst verkaufen, hörst du? Verkauf deine Firma.
Er zitterte ein bisschen, was ein schlechtes Zeichen war. Für einen Moment sah sie zu den anderen Kunden, um zu prüfen, ob sie auffielen. Doch niemand schien zu bemerken, was hier vor sich ging; dafür starrte Jean Claude in ihre Richtung, und man konnte selbst aus der Distanz erkennen, dass er sich Sorgen machte.
Ein stämmiger Mann betrat nun das Café und kam in ihre Richtung. Er war vielleicht Mitte dreißig und trug einen schwarzen Ledermantel, der ganz aufgeknöpft war; darunter sah man ein T-Shirt und Jeans. Irgendwie kam er ihr bekannt vor,
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