Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
Vom Netzwerk:
Wirklichkeit verloren, steckte mitten in einer Psychose. Sie war den Abgrund hinuntergestürzt, doch er war da gewesen und hatte sie aufgefangen. Er musste an seine Kindheit denken und die Zirkusartisten am Trapez, die er so bewundert hatte. Er erinnerte sich, wie er voller Ehrfurcht einer wunderschönen jungen Frau in einem Glitzerkostüm zugesehen hatte, die durch die Luft flog. In dem Augenblick, als er dachte, sie würde herabstürzen, hatte ein kopfüber hängender Mann sie mit seinen muskulösen Armen gepackt und sie festgehalten, bis sie beide den rettenden Stand erreicht hatten und triumphierend die Arme in die Luft reckten.
    Er packte Lily an den Armen und schüttelte sie heftiger. »Ich bin Bruce, Bruce Cunningham. Lily, können Sie mich hören? Sagen Sie meinen Namen. Sagen Sie ihn. Sagen Sie Bruce.«
    »Bruce«, wiederholte sie mechanisch wie ein Papagei.
    Er ließ sie los, und sie fiel rückwärts an die Wand. Sie hatte noch immer die Augen geschlossen, und ihr Körper war steif. Er fuhr mit der Hand über die Wand, bis er den Lichtschalter gefunden hatte. Licht flutete den Raum. Dann beugte er sich hinunter und schlug ihr ins Gesicht. Sie öffnete die Augen. »Wehr dich«, befahl er. »Kämpf um dein Leben. Ich bin Bruce Cunningham, Detective Bruce Cunningham. Schau mich an.«
    Da war etwas. Erkenntnis. Die Wirklichkeit. Sie war wieder in der Realität angekommen. Er hatte sie mit seinen starken Armen gepackt und schaukelte mit ihr durch die Luft zurück auf den festen Boden.
    »Ich habe Bobby Hernandez ermordet«, sagte sie. »Ich dachte, dass er meine Tochter vergewaltigt hatte. Ich war mir ganz sicher. Ich habe ihn kaltblütig erschossen.«
    »Wo sind Sie, Lily?«
    »Ich bin in Ventura, in meinem neuen Haus.«
    »Wie heißt der Präsident?«
    »George Bush«, antwortete sie. »Warum wollen Sie das wissen?«
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, wo sie gewesen war und dass sie ohne Sicherheitsnetz geradewegs im Sturzflug nach unten gewesen war. Er hob ein Handtuch vom Boden auf und ging in die Küche, wo er es unter den Wasserhahn hielt. Er stellte sich vor Lily hin und ließ das Handtuch in ihren Schoß fallen. »Waschen Sie sich das Gesicht. Dann fühlen Sie sich besser«, sagte er zärtlich wie ein Vater zu seinem Kind. Sie vergrub ihr Gesicht im Handtuch, und nach ein paar Minuten sah sie zu ihm auf mit ihren großen blauen Augen. Die Sommersprossen auf der Nase und den blassen Wangen waren unversehrt.
    »Sie haben mich geschlagen.«
    »Ja. Los, wir müssen gehen.«
    »Bekomme ich Handschellen?«
    Mühsam stand sie auf und sah ihm ins Gesicht. Eine warme Gefühlswoge überkam ihn. Er schob einen Arm unter ihre Knie und nahm sie hoch. Dann trug er sie zum Auto und setzte sie auf den Beifahrersitz. Sanft küsste er sie auf die Stirn und bemühte sich, etwas zu sagen, doch ihm fehlten die Worte. Schwer sank ihr Kopf an die Lehne.
    Er ließ die Autotür offen stehen und rannte die Treppen zum Haus hinunter. Im Haus griff er nach ihrer Jacke und Handtasche, dann löschte er das Licht, schloss die Tür und rannte die Stufen wieder hinauf. Er war nicht außer Atem. Er bewegte sich wie ein durchtrainierter Athlet, nicht wie ein übergewichtiger Detective mittleren Alters.
    Von der Fahrerseite aus beugte er sich über sie und schnallte sie an, dann zog er die Tür zu. »Wir haben’s gleich.«
    Innerhalb von Sekunden waren sie in der Ebene, und die Tachonadel wanderte auf Tempo siebzig, achtzig, dann neunzig. Durch die offenen Autofenster schlug ihnen die kalte Nachtluft ins Gesicht. Das laute Röhren des Motors dröhnte ihnen in den Ohren. Er griff nach dem Mikrofon, schaltete den Funk ein und brüllte hinein: »Kanal eins, Einheit sechs-fünf-vier.«
    »Sechs-fünf-vier, auf Empfang.«
    »Wo ist das Opfer des
2
/
11
, dem Raubüberfall am White’s Market?«
    »Im Community Presbyterian Hospital. Scheint aber tot zu sein.«
    »Ich bin auf dem Weg.« Er sah zu Lily, dann richtete er seinen Blick wieder auf die Straße. Unter seinen Händen vibrierte das Lenkrad. Er ließ das Mikrofon auf den Sitz zwischen ihnen fallen.
    Sie sprachen die ganze Fahrt über kein Wort. Lilys Augen waren weit aufgerissen, sie stützte die Hände ans Armaturenbrett. Auf dem Krankenhausparkplatz kam der Wagen schlitternd zum Stehen.
    »Kommen Sie mit.« Er riss die Beifahrertür auf und beugte sich über sie. »Sagen Sie kein Wort. Tun Sie nichts. Bleiben Sie einfach bei mir.«
    Mit großen Schritten überquerte er den

Weitere Kostenlose Bücher