Maedchenjagd
seiner Geduld am Ende. »Du kletterst jetzt mit deinen hübschen Beinen diesen Hügel rauf und legst das Papier dorthin zurück, wo du es gefunden hast. Sobald wir einen klaren Zusammenhang zu den anderen Morden herstellen können, werden wir auch Zugriff auf alle Beweisstücke haben.«
Mary ärgerte sich, aber sie sagte nichts mehr, stieg aus dem Auto und warf die Tür hinter sich zu. Sie hatte nicht gewusst, dass Brooks so ein Prinzipienreiter war. Aber es war auch das erste Mal, dass sie zusammenarbeiteten. Anders als ihr Mann tat Mary alles, was sie für nötig hielt, um einen gefährlichen Kriminellen zu erwischen. Wenn das FBI sie dafür feuerte, auch egal. Sie hatte ohnehin nie Polizistin werden wollen.
In gewisser Weise stimmte auch, was sie zu Brooks darüber gesagt hatte, dass eigentlich sie die Chefin sein müsste und nicht er. Sie kannte die Gegend und, von Mathis abgesehen, der erst kürzlich eingesetzt worden war, kannte sie die Zuständigen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Brooks war wie ein Fisch auf dem Trockenen, und noch dazu ein Fisch, der zu ängstlich war, um schwimmen zu lernen.
Der heutige Abend hatte Mary zwei neue Erkenntnisse gebracht. James Washburn war an der exakt gleichen Stelle in den Hinterkopf geschossen worden wie die anderen vier Opfer. Und die berufliche Zusammenarbeit mit ihrem Mann könnte eine echte Herausforderung für ihre Ehe werden. Genna Weir hatte sich getäuscht. Der Wechsel in das Büro nach Ventura würde ganz bestimmt nicht langweilig werden.
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8
Freitag, 15 . Januar
San Francisco, Kalifornien
L ily saß immer noch im Auto und wartete. Es schien ihr, als sei sie seit Stunden da, doch es waren erst dreißig Minuten vergangen. Sie wollte sich schon auf den Weg in die Krankenhauslobby machen, überlegte es sich aber anders. Sie hatte kaum jemals Zeit für sich, insbesondere seit Chris eingezogen war.
Sie hatte das Gefühl, als drehe sich ihr Leben im Kreis. Alles führte immer wieder zu jener schrecklichen Nacht zurück. John hatte recht gehabt, sie war schuld gewesen an der Vergewaltigung. Auslöser war unter anderem das neue Verwaltungszentrum gewesen. Das Gefängnis war durch einen Tunnel mit dem Gericht verbunden, und die Gefangenen konnten aus ihren Zellenfenstern beobachten, wie die Leute, die sie hinter Gitter gebracht hatten, morgens aus den Autos stiegen und abends wieder nach Hause fuhren. Niemand hatte daran gedacht, was für Gefahren darin lauern mochten.
1993
Ventura, Kalifornien
Lily hatte ein Vermögen für Shanas Kinderzimmer und für neue Kleider ausgegeben, in der Hoffnung, sie damit umzustimmen, so dass sie doch nicht zu ihrem Vater ziehen würde. Einer von Clinton Silversteins Fällen hatte sie lange im Büro aufgehalten. Ein Mann namens Bobby Hernandez hatte mutmaßlich eine Frau vergewaltigt, von der die Polizei glaubte, dass sie eine Prostituierte sei. Er hatte sie fast totgeprügelt und sie daraufhin mitten im Nichts aus seinem Lieferwagen geworfen. Die Männer von der Staatsanwaltschaft hatten sich darüber lustig gemacht, dass das Opfer über zweihundert Pfund wog und ihr Gesicht durch den Überfall so geschwollen war, dass sie wie ein Sumo-Ringer aussah. Lily war wütend gewesen, weil Fotos von der halbbekleideten Verletzten im Büro herumgereicht worden waren.
Es kam vor, dass eine Prostituierte eine Anzeige wegen Vergewaltigung machte, wenn ihr Freier versäumt hatte, ihre Dienste zu bezahlen. Die Prostituierte ging zur Polizei, behauptete, sie sei vergewaltigt worden, der Freier beschloss zu zahlen, um nicht in den Knast zu wandern, und das mutmaßliche Opfer zog die Anzeige zurück. Silverstein war davon überzeugt, dass es auch in diesem Fall so gewesen war, und versuchte, eine Strafverfolgung zu verhindern. Das Opfer war an diesem Nachmittag nicht zur Vorverhandlung erschienen. Daraufhin war Silverstein in Lilys Büro marschiert, wütend, seine Zeit vergeudet zu haben, und verlangte, dass sie Bobby Hernandez laufenließ.
Lily war außer sich, als sie das Ausmaß der Verletzungen sah. Sie war nicht nur davon überzeugt, dass es sich um ein echtes Verbrechen handelte, sondern auch davon, dass der Täter beabsichtigt hatte, die Frau zu töten. Ohne die Aussage des Opfers aber hatte der Staat keine Handlungsmöglichkeit. Lily war sich bewusst, was für eine Gefahr Bobby Hernandez für die Gesellschaft darstellte, doch sie hatte keine Wahl und musste Silversteins Antrag auf Einstellung des Falles nachkommen und
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