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Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
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Hernandez freilassen. Je nachdem, wie viel zu tun war, konnte es manchmal Tage dauern, bis das Gefängnis den Papierkram erledigt hatte.
    Lily beschloss, den Entlassungsbescheid weiterzureichen, gleichzeitig aber die Akte mit nach Hause zu nehmen und nach einer Möglichkeit zu suchen, Hernandez festzuhalten, bis das Opfer wieder aufgetaucht war.
     
    Shana war schon ins Bett gegangen, als Lily einen Blick auf die Uhr im Schlafzimmer warf und sah, dass es fast elf Uhr war. Sie wollte die Aktentasche aus dem Wohnzimmer holen, um sich den Fall Hernandez anzusehen, brachte aber die Energie nicht auf. Stattdessen zog sie sich aus und schlüpfte unter die Bettdecke. Dann fiel ihr ein, dass sie nicht nachgesehen hatte, ob alle Türen verschlossen waren, was immer Johns Aufgabe gewesen war. Den Frotteemantel locker um sich gewickelt, tappte sie barfuß ins Dunkle. Sie beschloss, zuerst die Küchentür zu kontrollieren.
    Lily hatte das Haus von einem Richter gemietet. Es lag in einer wunderschönen Gegend, nur wenige Blocks vom College entfernt und nicht mehr als zehn Minuten im Auto zum Gericht. Besonders gut gefiel ihr, dass die Gegend so ruhig war, es gab keine vorbeirasenden Autos, kein Hundegebell, nur herrliche Stille.
    Sie betrat die Küche und bemerkte die Gardine, die sich im leichten Wind aufbauschte und durch die offene Schiebetür gezogen wurde. Sie warf sich vor, dass sie die Tür nicht abgesperrt hatte. Während sie die Gardine zur Seite schob und die Tür zuzog, überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Etwas stimmte nicht. Sie hielt den Atem an, um zu lauschen, und hörte ein Quietschen, ein Geräusch wie von einem Turnschuh auf dem Basketballfeld.
    Alles ging ganz schnell: das Geräusch hinter ihr, ihr rasender, schmerzender Herzschlag, ihr Bademantel, der in Lichtgeschwindigkeit hochgehoben und über ihr Gesicht und ihren Kopf gezogen wurde. Sie versuchte, zu schreien und sich zu befreien, und rutschte aus, doch sie fiel nicht. Jemand hielt sie so fest, dass sie zu ersticken glaubte. Direkt über ihrem Mund schien ein Arm zu liegen. Sie wollte hineinbeißen, aber zwischen ihren Zähnen war nur der Frotteestoff. Von der Hüfte abwärts war sie nackt, und sie spürte die kalte Nachtluft an ihrem Unterkörper. Ihre Blase entleerte sich auf dem Fliesenboden.
    Sie bemühte sich, ihre Arme zu bewegen, aber sie wurden unter dem Bademantel fest an ihre Brust gedrückt. Sie trat wild um sich, und ihr Fuß verhakte sich in einen Küchenstuhl, der kreischend über den Boden schlitterte und schließlich mit einem dumpfen Laut an die Wand prallte.
    Ihre Unterschenkel und Füße brannten, und ihr wurde bewusst, dass sie durch den Gang gezerrt wurde – dorthin, wo ihre Tochter schlief. »Shana«, schrie sie. »Bitte, lieber Gott, nicht Shana.« Aus ihrem Inneren kam nur das gedämpfte Stöhnen unmenschlicher Qualen, das sich an den Stimmbändern vorbei in ihre Nase fortpflanzte. Ihr Mund bewegte sich nicht. Irgendwo stießen ihre Füße an. War es die Wand? Sie trat nicht mehr, kämpfte nicht mehr. Sie betete: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal …« Sie konnte sich nicht an die Worte erinnern. Nein, nicht Shana, nicht ihr Kind. Sie musste ihr Kind beschützen.
    »Mom.« Sie hörte ihre Stimme, erst fragend und kindlich, dann hallte der unerträgliche grelle Schreckensschrei in Lilys Kopf wider. Sie hörte, wie etwas Schweres gegen die Wand geworfen wurde, ein Körper gegen einen anderen, das Geräusch zweier Footballspieler, die auf dem Feld aneinanderprallten. Er hatte sie. Er hatte ihre Tochter. Er hatte sie beide in seiner Gewalt.
    Einen Augenblick später waren sie auf dem Bett in Lilys Schlafzimmer. Als er seinen Arm wegnahm, öffnete sich der Bademantel, und sie konnte ihn im Licht, das vom Badezimmer hereinfiel, sehen. Neben ihr war Shana, und er lag auf ihnen beiden. Die Stahlschneide des Messers an Lilys Hals schimmerte. Seine andere Hand lag an Shanas Kehle. Lily packte seinen Arm, und mit der übermenschlichen Kraft, die aus der Todesangst erwuchs, gelang es ihr beinahe, seinen Arm nach hinten zu biegen, so dass die Messerspitze auf ihn zeigte. Im Geiste sah sie bereits die Klinge in seinen Körper eindringen, dort, wo sein Herz schlug. Doch er war zu stark. Außer sich vor Erregung, schossen seine Augen hin und her, seine Zunge hing ihm aus dem Mund, und er presste die Klinge seitwärts in ihren geöffneten Mund, deren scharfe Kanten in die zarten Ränder ihrer Lippen einschnitt. Fest biss sie mit

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