Maedchenjagd
die Farben liefen ineinander über wie frischer Anstrich.
Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie wieder zu sich kam, war der Raum hell erleuchtet, und in der Ferne hörte sie Geräusche. Sie versuchte aufzustehen, sackte aber zurück auf das Sofa. Dreißig Minuten später trieb sie plötzlich eine starke, rüttelnde Maschine an und drängte sie, sich zu bewegen, hin und her zu gehen.
Die grüne Schlafanzughose war so groß, dass sie auf dem Boden schleifte. Sie schleppte sich strauchelnd voran. Sie stand unter Drogen, benommen und in ihrem Körper gefangen. Eine Frau kam auf sie zu und berührte sie am Arm. Durch den Nebel schien Shana einen Ausdruck von Mitleid auf dem Gesicht wahrzunehmen. »O Gott, kann niemand mir helfen?«
»Ich heiße Lee«, sagte die Frau mit sanfter Stimme. »Ich werde Sie jetzt baden.«
Das Nächste, woran Shana sich erinnern konnte, war, dass sie mit nassem Haar und dem grünen Schlafanzug vor einem Spiegel stand. Langsam fuhr Lee mit einer Bürste durch ihr Haar. So muss es sich anfühlen, ein Kind zu sein, dachte Shana. Sie war vollkommen hilflos und unbekümmert, sie trieb im zeitlosen Nichts. Die Wirklichkeit driftete fort. Lee begann, ihr das Haar zu föhnen, so wie es ihre Mutter gemacht hatte, sanft und ohne sich darum zu kümmern, wie es fiel, nur um sicherzugehen, dass sie sich nicht erkältete. Wie hatte ihre Mutter ihr das antun können?
Sie drehte sich um und legte die Arme auf Lees Schultern, wollte sie umarmen wie ein Kind seine Mutter. Es war, als würde sie seit einer Unendlichkeit nur herumgezerrt, geschubst, mit Nadeln gestochen und in Angst versetzt. Sie wollte getröstet, festgehalten, berührt werden.
»Bitte«, sagte Lee und nahm ihre Arme weg. »Wir dürfen nicht …«
Die Stimme, jetzt erkannte Shana sie. Sie war eine der Frauen gewesen, die ihr die Spritze gegeben hatten. Sie hatte die Bemerkung über die Einverständniserklärung gemacht.
Shana wandte sich zum Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Sie konnte sich nicht mehr genau an die Unterhaltung der beiden Frauen erinnern. Sie war so blass, ohne Make-up sah ihr Gesicht wie eine unbemalte Leinwand aus.
Lee führte sie zurück in den Aufenthaltsraum und verschwand. Auf dem Teewagen stand ein Tablett mit Essen. War es Frühstück, Mittagessen oder Abendessen? Sie wusste es nicht, und es kümmerte sie auch nicht. Mit den Fingern stopfte sie sich das undefinierbare Zeug in den Mund, doch als sie schlucken wollte, zog sich ihre Kehle zusammen. Sie spuckte aus und wickelte die Brocken in eine Papierserviette.
Einige Zeit später nahm ein merkwürdiger Mann auf dem Sofa gegenüber Platz, der sie wie ein Insekt unter dem Mikroskop beobachtete. Seine Augen sahen aus wie schwarze Käfer, und aus irgendeinem Grund sträubte sich etwas in Shana sofort gegen ihn – wegen der Arroganz, die er ausstrahlte, und der vagen Ahnung, dass er es genoss, sie von Drogen benommen und orientierungslos vor sich zu sehen.
»Mein Name ist Dr. Morrow«, sagte er. »Wie geht es Ihnen heute, Shana?«
Er lächelte selbstgefällig und rückte seinen schlanken Körper auf der Couch in eine bequemere Haltung.
»Warum bin ich hier?«, fragte sie, empört, dass dieser Mann womöglich ihr Psychiater war. »Ich weiß, dass ich hier in einer Art psychiatrischen Klinik gelandet bin, aber warum werde ich wie eine Gefangene behandelt?« Jedes einzelne Wort erforderte eine immense Anstrengung. Sie musste alle Kraft zusammennehmen, um die fliehenden Gedanken in ihrem Kopf einzufangen und sie über ihre gummiartigen Lippen nach draußen zu pressen.
»Sie sind hier, weil Sie krank sind«, antwortete Morrow. »Sie hatten eine Psychose.«
»Ich hatte keine Psychose … mein Leben lang nicht. Sie haben nicht das Recht, mich an diesem widerlichen Ort einzusperren. Ich werde Sie verklagen.« Shana suchte in ihrem Inneren nach ihrer Wut und nutzte sie, um genug Geisteskraft aufzubringen, um weiterzureden. »Sie werden mich sofort entlassen, andernfalls werden Sie es bereuen.«
Morrow schnippte einen Fussel von seiner schwarzen Hose, dann beugte er sich über den Tisch und sagte langsam und deutlich: »Lassen Sie mich eines klarstellen. Sie werden hier eine Woche, einen Monat, vielleicht auch ein Jahr bleiben. Möglicherweise bleiben Sie auch mehrere Jahre hier. Wenn Sie jetzt nicht reden wollen, so werden Sie in Zukunft bestimmt noch genug Gelegenheit dazu haben.«
Shana war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug.
Morrow klappte
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