Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Beiden Beamten klebt Blätterteig von dem saftigen Gebäck am Kinn, was Anja Winterberg, Svens Ehefrau, zum Lachen bringt, als sie kurz darauf die Terrasse betritt. Mit einem aufmerksamen Blick mustert sie das Fax mit Telefonnummern, das vor den Kommissaren zwischen Kuchentellern und Teetassen liegt. Es handelt sich um die Gesprächspartner der Toten vom Strand in den letzten beiden Wochen, deren Nummern die Telefongesellschaft den Kommissaren übermittelt hat. Mitfühlend erkundigt sich Anja: »Seid ihr immer noch nicht fertig?«
»Danke für den Kuchen erst mal«, antwortet Bastian und deutet im Sitzen eine tiefe Verbeugung an. »Ich weiß das echt zu würdigen, zumal ich dir ja auch noch den Gatten klaue.«
Anja lacht. »Kein Problem. Mein Rachefeldzug ist schon durchgeplant.«
»Lass hören.«
»Wenn ihr die Anrufliste durchgesehen habt, dann werde ich Schaufeln und Arbeitshandschuhe ausgeben, und ihr könnt da hinten die Krüppelkiefer und die beiden Buchsbäume ausgraben.« Sie deutet auf einen etwas versteckt liegenden Teil des Friesenwalls, wo der Bewuchs gelb und trocken ist.
»Die sehen allerdings ein bisschen mitgenommen aus. Hat euer Sprenger nicht so weit gereicht?«
»Ich glaube nicht, dass die Büsche vertrocknet sind. Scheint eher eine Krankheit zu sein. Oder dieser komische Buchsbaumschädling, den sie versehentlich aus Asien importiert haben. Vielleicht ist er jetzt auf Sylt gelandet. Jedenfalls sind die Pflanzen nicht mehr zu retten, und ich werde stattdessen Heckenrosen setzen.«
»Ich habe dich gewarnt, Bastian«, mischt sich jetzt Sven in das Gespräch. »Für dieses Wochenende war Arbeit am Wall angesetzt. Dagegen hilft auch eine Tote im Strandkorb nichts. Du kennst ja meine energische Frau.«
»Wenn ich schon bei deinen Eltern den Rasen mähe, dann kann ich auch bei deiner Frau den Wall ausheben«, antwortet Bastian grinsend und fährt wieder an Anja gewandt fort: »Das hier dauert nur noch ein paar Minuten. Die meisten Anrufe, die die Tote auf ihrem Handy gekriegt hat, sind von öffentlichen Apparaten ausgegangen. Ich muss dir ja nicht erklären, wie schnell sich Klatsch auf der Insel verbreitet. Da sind die Kunden der roten Lola lieber vorsichtig gewesen. Pech für uns. Aber zwei Handynummern und drei Festnetzanschlüsse haben wir immerhin ermitteln können. Und die Adresse der Toten haben wir auch. Allerdings kommt die Spurensicherung erst morgen früh wieder vom Festland. Dann gehen wir in die Wohnung. Die fünf relevanten Telefonnummern werden gerade überprüft, aber das wird mindestens eine Stunde dauern. Wir waren schon froh, dass wir überhaupt am Sonntagnachmittag noch jemanden für diesen Job gefunden haben.«
»Na, dann könnt ihr ja super eine Stunde körperliche Arbeit einschieben, bevor ihr die Kunden der Toten durchtelefoniert. Oder fahrt ihr gleich zu denen nach Hause?«
»Eher Letzteres.« Sven und Bastian wechseln einen Blick. Beide wissen genau, dass es ein langer Abend werden wird, denn die drei Festnetznummern haben alle eine Sylter Vorwahl, und auch die anderen beiden Kunden der toten Prostituierten, die übers Handy Kontakt aufgenommen haben, werden wohl kaum vom Festland herübergekommen sein. Fünf Vernehmungen, womöglich quer über die Insel verstreut, können gut und gern den Rest des Tages in Anspruch nehmen.
»Rechne mal lieber nicht zum Abendessen mit mir«, fügt Sven diplomatisch hinzu.
»Schon klar. Dann kann ich mich wohl gleich auf einen einsamen Tatort-Fernsehabend einstellen. Ein toller Ersatz für einen lebendigen Ehemann«, mault Anja.
»Glaub mir, ich würde dir gern Gesellschaft leisten oder einfach nur einen Wein mit dir hier auf der Terrasse trinken. Wann ist es abends schon mal so warm?« Sven nimmt seine Frau in den Arm und drückt ihr einen Kuss aufs Haar. »Weißt du was? Wenn Bastian und ich uns beeilen, dann können wir dir auch noch die Erde austauschen und die neuen Rosenbüsche auf den Wall setzen, bevor die Ergebnisse da sind.«
Anja strahlt. »Und ich räkle mich währenddessen im Liegestuhl in der Sonne und gebe Anweisungen?«
»Meinetwegen auch das«, gesteht Sven ihr großmütig zu.
»Und wer fragt mich«, schaltet sich Bastian ein.
»Typen, die zweimal die Woche vollkommen sinnentleert Bankdrücken im Fitnesstempel machen, haben zwar Muskeln aber kein Mitspracherecht bei wirklich wichtigen Entscheidungen«, erklärt Sven und schiebt sich noch ein Stück Bürgermeister in den Mund. »Da hilft auch so ein blöder Titel
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