Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
verlassen.
Was wäre, wenn es sich ganz anders zugetragen hätte?
Oder steckt sie vielleicht sogar selbst hinter dem Verschwinden ihrer Schwägerin?
Montag, 20. Juni, 08.30 Uhr,
Wohnung Sibylla Polenz,
Westerland
Als Bastian und Silja vor dem dreistöckigen Sechziger-Jahre-Mietshaus am Rande von Westerland aus dem Dienstwagen steigen, werden sie misstrauisch von einer Rentnerin mit Dackel beobachtet. Die Frau ist klein, ziemlich korpulent und trägt trotz der sommerlichen Temperaturen dicke Stützstrumpfhosen unter ihrem ausgebeulten Rock.
»Wohnen Sie hier?«, fragt Bastian lächelnd.
Aber sein Charme nützt nichts.
»Wüsste nicht, was Sie das angeht«, faucht die Alte und dreht sich weg.
Bastian zückt seinen Dienstausweis, stellt erst sich, dann Silja vor und wiederholt die Frage. Diesmal ohne zu lächeln.
»Sie kommen wegen der Polenz, hab ich recht?«
Eingeschüchtert wirkt die Frau nicht. Nur ihr Dackel kneift den Schwanz ein.
»Wissen Sie, was mit ihr ist?«, erkundigt sich Bastian streng.
»Machen Sie Witze? Die ist doch tot.«
»Moment mal«, mischt sich Silja ins Gespräch. »Wir haben überall nach Zeugen gesucht. Und Sie hätten die Identität der Toten aufdecken können und haben sich nicht bei uns gemeldet?«
Jetzt bekommt die Alte doch Angst. Sie beginnt zu stottern, fasst sich aber relativ schnell wieder.
»Man will ja keinen Ärger haben. Und eigentlich war die Polenz auch gar nicht zu erkennen. Wenn sie ihre Wohnung verlassen hat, hat sie immer eine dunkle Perücke getragen. Mit so Fransen an den Seiten, wie es jetzt modern ist.«
»Und warum haben Sie sie dann in der Tagesschau oder in der Zeitung doch erkannt?«, insistiert Silja.
»Mein Balkon ist direkt neben ihrem, unsere Wohnungen sind die einzigen auf der Etage. Und manchmal, bevor die Polenz ihre Männer empfangen hat, ist sie zum Rauchen rausgekommen. Mit Negligé und diesen roten Haaren. Ehrlich gesagt, habe ich bisher immer gedacht, das ist die Perücke und die schwarzen Haare sind echt. Tja, so kann man sich täuschen.«
»Was können Sie uns über die Männerbesuche sagen?«, fasst Bastian nach.
Die Alte zuckt die Schultern. »Die Polenz war ein Flittchen, das hat jeder hier im Haus gesehen. Ständig andere Kerle in der Wohnung, das ist doch nicht normal. Aber keiner wusste, ob sie auch Geld dafür genommen hat.« Die Rentnerin macht eine Kunstpause und sieht sich spitzbübisch um, als fürchte sie, bei einem Geheimnisverrat entdeckt zu werden. Als sie das Gefühl hat, dass die Luft rein ist, redet sie weiter, allerdings mit deutlich leiserer Stimme. »Nur ich hab’s gewusst. Hab nämlich letztens mal die Anzeigen im Blättchen gelesen und einfach die Nummer gewählt. Die rote Lola , stand da und ich dachte, das könnte doch passen.«
»Und? Hat es gepasst?«
»Und wie. Hab die Stimme auf den Anrufbeantworter sofort erkannt. Sie hatte so einen Singsang im Tonfall, kam wahrscheinlich aus Russland oder Polen oder wo die immer herkommen.«
Bastian verdreht die Augen. »Frau … wie war noch gleich Ihr Name? … wenn Sie bitte sachlich bleiben würden, wäre das für alle Seiten ungemein hilfreich.«
Die Alte lässt sich nicht einschüchtern. »Schmarje. Marie Schmarje. Ich hab nix zu verbergen. Wenn das mal auch für die Polenz galt! Ich wär da nicht so sicher.«
»Immer schön der Reihe nach, Frau Schmarje. Wir waren bei der Stimme von Frau Polenz. Die haben Sie also auf dem Anrufbeantworter erkannt. Haben Sie mit irgendjemandem aus dem Haus darüber gesprochen?«
»Nee, das war mir dann doch zu peinlich.«
»Was genau war Ihnen peinlich?«
»Na, den Anruf zu gestehen. Dann hätte ich ja auch zugeben müssen, dass ich diese Schmuddelanzeigen gelesen habe.«
»Wann etwa haben Sie die Annonce entdeckt?«
»So vor drei Wochen vielleicht.«
»Und dann haben Sie auch gleich angerufen?«
Marie Schmarje nickt. »Hab in den Tagen danach natürlich schon ein bisschen gespitzt und manchmal auch die Kerle von Nahem gesehen.« Nach kurzem Zögern setzt sie hinzu: »Die wirkten eigentlich immer alle ganz anständig.«
»Was meinen Sie damit genau?«, erkundigt sich Silja.
»Na ja, sauber und gut gekleidet. Hatten auch Manieren, grüßten freundlich und so. Einmal bin ich nämlich einem im Treppenhaus begegnet.«
»Zufällig natürlich«, wirft Bastian ein, aber Marie Schmarje ist nicht anfällig für Ironie.
»Ja, völlig zufällig. Ich musste noch mal zum Müll, und er kam gerade die Treppe rauf.«
»Wann
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