Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
war das?«
»Vor drei, vier Tagen vielleicht. Kann auch schon eine Woche her sein. Länger bestimmt nicht.«
»Also kurz vor ihrem Tod«, überlegt Silja und erkundigt sich hoffnungsvoll: »Würden Sie den Herrn erkennen?«
»Nee, das nun doch nicht. War so einer mit Anzug und Krawatte. Die sehen doch alle gleich aus.«
»Im Gesicht eigentlich nicht«, murmelt Bastian und fixiert die Zeugin unter zusammengezogenen Brauen. »Frau Schmarje, es ist extrem wichtig, dass Sie sich erinnern: Dieser Herr, den Sie beobachtet haben. War das vielleicht in der Nacht vom vergangenen Donnerstag auf den Freitag?«
»Da ist sie umgebracht worden, ich weiß.« Marie Schmarje zieht die Nase kraus und lässt den Blick nachdenklich über die Fassade des Mietshauses schweifen. Als endlich ihre Antwort kommt, klingt sie entschieden. »Nee, ganz bestimmt nicht, das muss länger her sein. Wenn ich kurz danach vom Tod der Polenz erfahren hätte, das wär mir doch aufgefallen.«
»Wahrscheinlich schon.«
Bastian kann die Enttäuschung in seiner Stimme kaum verbergen. Das hier scheint wieder mal ein Fall zu werden, in dem nichts zusammenpasst. Dabei würde er so gern einen schnellen Ermittlungserfolg vorweisen können, und sei es auch nur, um Silja zu beeindrucken.
»Also Frau Schmarje, wir machen es so. Ich gebe Ihnen meine Karte und wenn Ihnen noch irgendetwas Wichtiges einfällt, dann melden Sie sich bei uns. Sollten wir noch Fragen haben, wissen wir ja, wo wir Sie finden können.«
Marie Schmarje nickt. »Bin immer zu Hause. Verreisen ist für mein Alter zu anstrengend, und mit den dicken Beinen erst recht. Bin schon froh, wenn ich mit Paulchen Gassi gehen kann.«
Der Dackel jault leise, als er seinen Namen hört, und beginnt heftig mit dem Schwanz zu wedeln und an seiner Leine zu zerren. Schon schickt sich Marie Schmarje an, ihm nachzugeben, als Bastian sie doch noch am Arm festhält.
»Eines wüssten wir aber noch gern: Hat irgendjemand einen Schlüssel von der Wohnung?«
Die Rentnerin bläst die Backen auf. »Bestimmt nicht. Oder würden Sie jemandem einen Wohnungsschlüssel geben, wenn Sie regelmäßig Herrenbesuch empfangen? Nee, so blöd war die nicht, da können Sie Gift drauf nehmen.«
Montag, 20. Juni, 08.32 Uhr,
Zwischen den Hedigen,
Alt-Westerland
Christa Mönchinger ist nervös. Ihre Hände fliegen, die Augenlider zucken, der Blick irrt durch das Wohnzimmer, klebt an Regalen voller Videofilme und Bildbänden, huscht über den sehr hochflorigen hellen Teppich und versteckt sich in den Ecken der cremeweißen Polstergarnitur hinter buntgemusterten Kissen. Die Teetasse auf dem Couchtisch hat sie noch gar nicht angerührt, wahrscheinlich würde sie den Inhalt nur verschütten.
»Das Verschwinden Ihrer Schwägerin scheint Ihnen sehr nahezugehen«, erklärt Sven Winterberg diplomatisch, denn nichts will er weniger, als seine Gesprächspartnerin zusätzlich zu verschrecken. Über ihre Antwort ist er trotzdem erstaunt.
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Herr Kommissar. Ich mochte Marga nicht besonders. Sie hat sich hier ins gemachte Nest gesetzt, sich von meinem Bruder auf Händen tragen lassen, aber sonst wenig zum Familienleben beigetragen.«
»Was hätte sie denn beitragen können, Ihrer Meinung nach?«
»Kinder«, ist die spontane Antwort.
Sven schluckt. Er muss daran denken, dass auch er und Anja späte Eltern sind, beide immerhin jetzt schon über 40 Jahre alt und ihre Lütte ist erst neun. Verheiratet sind sie schon erheblich länger, schließlich kennen Anja und er sich noch aus der Schule, wie das eben auf Sylt so ist. Aber über lange Jahre wollte sich einfach kein Nachwuchs einstellen und erst, als sie schon fast jede Hoffnung aufgegeben hatten, wurde Anja ganz überraschend doch noch schwanger.
»Nicht immer klappt es mit dem Nachwuchs so, wie man es sich vielleicht wünscht«, gibt Sven zu bedenken.
»Das war nicht der Punkt. Marga hat ganz konsequent die Pille genommen, obwohl Hubert damit gar nicht einverstanden war.«
»Frau Mönchinger, warum reden Sie von ihrer Schwägerin in der Vergangenheitsform? Sie wissen doch selbst am besten, dass sie freiwillig das Haus verlassen hat. Oder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sie bedroht wurde und vielleicht in Gefahr schwebt?«
»Davon weiß ich nichts.« Christa Mönchingers Stimme klingt unwirsch. »Und es ist mir auch egal. Marga ist gegangen, sie hat meinen Bruder verlassen und sich heimlich davongestohlen wie eine Verbrecherin. Damit ist sie für
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