Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
der Familie nicht verstanden. Aber das ist schon Jahre her.«
»Sind Sie eigentlich zur Polizei gegangen?«
Mönchinger nickt. »Gleich am nächsten Morgen. Die waren mächtig unter Strom. Es gab da ja diese Tote am Strand, bestimmt haben Sie davon gehört. Es bestand wohl eine gewisse Ähnlichkeit, jedenfalls dachten die Herren von der Kriminalpolizei erst, das sei Marga. Aber sie war es nicht. Danach waren die Kommissare ziemlich enttäuscht. Es hat ihnen wahrscheinlich nicht gepasst, dass sie jetzt noch mehr Arbeit am Hals haben. Einer von denen ist sogar ausfallend geworden. Er meinte, ich müsse selbst wissen, warum Marga mich verlassen hat.«
»Haben Sie denen von der Entführungsthese erzählt?«, erkundigt sich der Analytiker mit möglichst ruhiger Stimme. Die Antwort auf diese Frage ist das Einzige, was jetzt zählt. Doch Mönchinger schweigt.
»Also haben Sie?«, wiederholt Pabst ungeduldig.
Sein Patient schüttelt energisch den Kopf.
»Natürlich nicht. Ich bin erst durch Christas Begegnung mit dem Fremden an der Tür darauf gekommen. Davon habe ich aber erst erfahren, nachdem die Polizei bei uns im Haus war. Dann habe ich natürlich die Klappe gehalten. Ich will ja, dass der Entführer sich mit mir in Verbindung setzt. Und wenn ich die Polizei einschalte, dreht er vielleicht durch und tut Marga etwas an.«
Wieder schießen ihm Tränen in die Augen, und er greift nach der Kleenex-Schachtel.
»Das überzeugt mich. Sie sollten sich wirklich von denen fernhalten und erst einmal abwarten«, rät Pabst mit falscher Freundlichkeit und räuspert sich anschließend. Hubert Mönchinger kennt das Zeichen und blickt auf die große Uhr, die deutlich sichtbar an der Wand hängt.
»Zeit zu gehen, ich weiß. Aber morgen darf ich wiederkommen, das müssen Sie mir versprechen. Ich fühle mich so hilflos ohne Marga, ich weiß gar nicht, was ich tun soll«, jammert er.
»Erst einmal abwarten. Und wenn Sie bis morgen nichts von Ihrer Frau gehört haben, dann sehen wir weiter. Natürlich kommen Sie wieder. Und wenn Sie mögen, können wir auch für den Mittwoch einen Frühtermin vereinbaren.«
Als Hubert Mönchinger sich auf der Bauhausliege aufrichtet, steht ihm die Erleichterung im Gesicht geschrieben.
»Danke, Herr Pabst, das werde ich Ihnen nie vergessen!«
Montag, 20 Juni, 09.40 Uhr,
Kurzentrum Westerland
Nervös sieht sich Marga Mönchinger ein letztes Mal in dem Wohnzimmer um. Hat sie etwas vergessen? Oder sollte sie vielleicht etwas mitnehmen, was ihr gar nicht gehört? Aber hier ist nichts von Wert. Keine Uhr, kein Schmuck, kein Computer. Noch nicht einmal einen Fernseher gibt es in dieser Absteige. Oder ein Radio. Aber was soll’s. Sie ist schließlich keine Diebin. Außerdem ist sie entlohnt worden wie besprochen. Krampfhaft umschließen ihre Finger die 20 Hunderteuroscheine. In den letzten Stunden hat sie sich mehr oder weniger daran festgehalten. Hat sich nicht vom Fleck rühren können, ist immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt worden. Und wenn diese abebbten, kam die Wut. Genutzt hat jedoch alles nichts.
Sie ist jetzt wieder auf sich allein gestellt, und so wird es in Zukunft auch bleiben. An eine Rückkehr zu Hubert ist gar nicht zu denken. Immerhin hat sie die 2000 Euro. Aber wie lange wird das schon vorhalten? Denn sonst hat sie nur, was sie auf dem Leib trägt. Und das ist nicht gerade viel. Eine Jeans, Sneakers, eine teure dunkelgraue Seidenbluse und ihren Ehering. Der ist recht schmal und noch nicht einmal aus 18-karätigem Gold. Sie hätte damals schon ahnen können, dass sich Hubert Mönchinger nicht als der Traummann entpuppen würde, als der er sich bei ihrer Bekanntschaft präsentiert hat. Großzügig, weltmännisch. Die komplette Blender-Show hat er abgezogen.
Dass es in Wahrheit damit nicht ganz so weit her sein kann, hat sie sich zwar gedacht, aber dass Hubert es tatsächlich fertiggebracht hat, ihr diese absolut unerträgliche Hexe von Schwester bis zum Tag ihrer Eheschließung vorzuenthalten, das hat sie dann doch entsetzt. Fast drei Jahre hat sie mit dieser hinterlistigen Ziege jetzt unter einem Dach gewohnt. Es war Marga immer klar, dass Christa Mönchinger nur nach einem Anlass gesucht hat, um sie schlechtzumachen. Aber die Sache mit dem Privatdetektiv hätte sie der Schwägerin trotzdem nicht zugetraut. Einen ganzen Ordner voller Material aus Margas wenig ruhmreicher Vergangenheit hat dieser widerliche Kerl zusammengetragen. Und nur durch Zufall hat Marga den
Weitere Kostenlose Bücher