Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Ordner auf dem Beifahrersitz von Huberts Wagen entdeckt. Wahrscheinlich ist sich Christa sehr schlau vorgekommen, als sie die Schriftstücke zwischen Huberts anderen Unterlagen platziert hat. Und ganz sicher wollte diese feige alte Jungfer nicht dabei sein, wenn ihr Bruder die Gesprächsprotokolle las, die der Detektiv von seinen Unterhaltungen angefertigt hatte.
Marga wollte auch nicht dabei sein, deshalb hat sie noch nicht einmal den Versuch unternommen, Hubert das Ganze zu erklären. Es wäre ohnehin völlig sinnlos gewesen, bestimmte Dinge verzeihen Ehemänner nun einmal nicht. Also ist Marga lieber gleich abgehauen. Und mit Glück in dieser Wohnung gelandet. Glück? Wie man’s nimmt. Sicher zum hundertsten Mal blättert Marga die Geldscheine durch. 2000 Euro. Was soll sie jetzt mit denen machen? Wo kann sie das Geld sicher verstecken?
Nach kurzem Nachdenken kommt ihr eine Idee. Sie steht auf und wirft einen letzten Blick auf den Zettel, der auf dem Couchtisch liegt. Der obszöne Vorschlag, mit leiser Stimme geraunt, ist ihr die ganze Nacht nicht aus dem Kopf gegangen. Soll sie darauf eingehen oder lieber nicht?
Kommt gar nicht in Frage, denkt sie jetzt wütend und will mit dem Geldbündel in der Hand das Apartment für immer verlassen. Doch als sie schon in der Tür steht, überlegt sie es sich anders. Zwar hat sie keinen Schlüssel, aber was wäre, wenn sie die Tür nur anlehnen und erst einmal das Geld in Sicherheit bringen würde? Wiederkommen könnte sie dann immer noch. Keiner der Nachbarn, wenn er nicht ganz genau hinsieht, wird den Türspalt bemerken.
Und sie könnte sich alle Optionen offenhalten.
Montag, 20. Juni, 10.12 Uhr,
Wohnung Sibylla Polenz,
Westerland
Endlich ist die Truppe von der Spurensicherung da. Gleichzeitig ist auch der Schlosser eingetroffen, der die Wohnungstür des Opfers öffnen soll. Bastian und Silja haben zuvor bereits an allen weiteren Türen des Mietshauses geklingelt und sich nach Sibylla Polenz erkundigt. Doch tatsächlich konnte oder wollte niemand sonst eine brauchbare Auskunft geben. Nur wenige wollten überhaupt zugeben, sich an die Frau mit dem dunklen Fransenhaarschnitt zu erinnern.
»Wenn Sibylla Polenz das Ziel gehabt hatte, möglichst unerkannt in dieser Siedlung zu leben, dann ist ihr das meisterhaft gelungen«, murmelt Bastian, nachdem alle Zeugen befragt sind.
»Nur genutzt hat es ihr nichts«, fügt Silja an.
Als das Sicherheitsschloss unter den kundigen Fingern des Fachmanns seine Geheimnisse preisgibt und die Tür sich aufdrücken lässt, stehen die beiden Ermittler in der ersten Reihe. Da der Rechtsmediziner bisher keine eindeutige Antwort auf die Frage geben konnte, wo Sibylla Polenz umgebracht worden ist, wäre es möglich, dass sich hinter der Wohnungstür ein hochgradig kontaminierter Tatort verbirgt.
Doch zunächst blicken alle in eine durchschnittlich wirkende Diele. Melierter Teppichboden, eine Wandgarderobe aus hellem Holz, an der ein Damen-Trenchcoat hängt. Daneben ein Schlüsselbrett mit einem Autoschlüssel. Der Wohnungsschlüssel fehlt.
Langsam, Schritt für Schritt, tasten sich Bastian und Silja in die Wohnung vor. Sie tragen jetzt ebenso wie die Spurensicherer Latexhandschuhe und weiße Schutzanzüge mit Kapuzen. Von der Diele gehen fünf Türen ab, nur eine ist geöffnet. Sie liegt am Kopfende des Flurs und führt in den Wohnraum. Auch hier ist alles aufgeräumt und wirkt auf den ersten Blick unauffällig. Kein Blut, keine Unordnung. Ein mittelblaues Ledersofa gewährt den Blick auf einen recht großen Fernseher, der in der Ecke seitlich des Balkonfensters steht. Ein gläserner Couchtisch und zwei identische Kommoden vervollständigen das Mobiliar. Der mannshohe Kerzenständer aus Gusseisen neben dem Sofa ist mit orangefarbenen Kerzen bestückt. Auf dem Tisch stehen keine Gläser, es liegt auch kein Nippes herum. Und der Kristallaschenbecher weist keine sichtbaren Aschereste auf.
»Wir gehen erst mal in die anderen Räume, um uns ein Gesamtbild zu verschaffen«, erklärt Bastian und fügt an die Spurensicherung gewandt fort: »Dann entscheiden wir, welchen Raum ihr euch zuerst vornehmt. Der Fotograf kann ja hier schon mal anfangen.«
Auch in Bad und Küche gibt es auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches zu sehen. Stark abgestoßene Einbaumöbel, ein schlecht geputzter Herd und ein tropfender Wasserhahn über der Badewanne sind alles, was vielleicht aus dem Rahmen fallen könnte.
»Bleiben noch zwei Zimmer«, murmelt Silja
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