Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
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»Guck mal hier. Siehst du auch, was ich sehe? Da sind doch dunkle Haare auf dem Bezug. Ich denke, sie war rothaarig. Und im Bett wird sie ja wohl kaum ihre Perücke getragen haben, auch wenn die Haarlänge in etwa hinkommt. Tüte das gleich mal ein und sorg dafür, dass wir möglichst schnell eine Analyse bekommen. Vielleicht erfahren wir ja doch noch etwas über das Privatleben dieser Dame.«
Montag, 20 Juni, 11.05 Uhr,
Kurzentrum Westerland
Wie gehetzt springt Marga Mönchinger in den Fahrstuhl. Niemand verfolgt sie, aber trotzdem beobachtet sie mit bangem Blick, wie unendlich langsam sich die automatischen Türen schließen. Endlich bewegt sich der Lift, gleitet lautlos nach oben. Im Wandspiegel sieht Marga ihr bleiches Gesicht. Stockend lässt sie die Atemluft entweichen, die sie seit Minuten, so scheint es ihr jedenfalls, angehalten hat. Wenn jetzt nur die Eingangstür der Wohnung nicht ins Schloss gefallen ist!
Der Gang durch die vormittäglich belebten Westerländer Straßen war ein beklemmender Slalom für Marga. Immerhin hat sie ihre auffälligen Haare unter einem karierten Kopftuch verborgen, das in einer Kommodenschublade in der Diele lag. Aber hätte das im Ernstfall als Tarnung gereicht? Was, wenn sie Hubert begegnet wäre? Oder gar dieser Christa, ihrer ebenso widerwärtigen wie neugierigen Schwägerin?
Nein, damit muss für alle Zeit Schluss sein. Auch dafür hat Marga das Geld sicher verwahrt. Auch dafür ist sie zurückgekommen in dieses Haus, vor dem es ihr graut.
Der Fahrstuhl stoppt, die Türen öffnen sich. Niemand ist auf dem Flur, obwohl er lang ist und zu etlichen Apartments führt. Doch zum Glück sind es nur wenige Schritte bis zum Eingang der Wohnung, die Marga vor kurzem verlassen hat. Ihre bangen Blicke eilen den Schritten voraus. Da ist kein Spalt, die Tür ist zu. Eigentlich muss Marga gar nicht mehr nachsehen, sie ist sich sicher. Trotzdem tritt sie näher. Und als sie probeweise gegen die Tür drückt, schwingt diese auf. Niemand hat sie in ihrer Abwesenheit zugezogen, der Schnapper ist nicht eingerastet. So etwas passiert. So etwas entscheidet über Margas Leben. Vielleicht.
Taumelnd betritt Marga Mönchinger die ihr allzu vertraute Wohnung und drückt die Tür hinter sich ins Schloss. Und wohin jetzt? Nur nicht ins Wohnzimmer, bloß nicht auf die Couch. Marga geht ins Schlafzimmer und legt sich aufs Bett. Es ist aus Messing und frisch bezogen, hier erinnert nichts an die Dinge, die sich am vergangenen Wochenende im Wohnzimmer zugetragen haben. Und das ist wichtig, denn Marga muss ungestört nachdenken. Sie muss einen Entschluss fassen.
Doch zunächst starrt sie minutenlang vor sich hin. Hinter dem schmutzigen Fenster steht eine grelle Sonne am Himmel. Die Hitze dringt auch durch die geschlossenen Scheiben und treibt ihr den Schweiß auf die Stirn. Oder ist es der Zwang, sich endlich zu entscheiden? Unschlüssig senkt sie den Blick auf ihre Hände. Zwischen den Fingern dreht sich wie von selbst der schlanke Schlüssel hin und her, der das Schließfach in der Westerländer Bankfiliale öffnet. Die 2000 Euro sind dort gut verwahrt und können trotzdem jederzeit von ihr abgeholt werden. 2000 Euro. So viel. So wenig.
Es könnten auch 7000 werden . Marga hat die Stimme ständig im Ohr. Seit dem vergangenen Tag geht sie ihr wie ein Refrain immer wieder durch den Kopf. Es könnten auch 7000 werden.
7000 Euro. Das wäre wirklich ein Anfang. Nur von was? Du musst nicht viel dafür tun. Schenk mir noch einmal fünf Tage. Das wäre alles. Denk in Ruhe darüber nach. Wer verdient schon 1000 Euro am Tag? Ich jedenfalls nicht . Unschlüssig blickt Marga auf den Zettel mit der Handynummer, der die ganze Zeit in ihrer Jeanstasche gesteckt hat. Du musst nur anrufen, dann bin ich ein paar Stunden später zurück. In dieser Woche könnte ich das einrichten. Später wird es schwierig.
Lange ruht Margas Blick auf der Tür zur Diele. Dahinter weiß sie das Wohnzimmer und dort die Couch. Ekel steigt in ihr auf, und der Brechreiz ist kaum zu unterdrücken. Es gibt Menschen, die spüren mit traumwandlerischer Sicherheit genau jene Bereiche auf, die anderen heilig sind. Und aus der tiefstmöglichen Verletzung ihres Gegenübers ziehen sie dann ihre Lust.
Marga wirft den Zettel zu Boden und schüttelt sich, als könne auf diese Weise irgendetwas von ihr abfallen. Doch wie sollte das geschehen? Schließlich kennt sie das Verfahren genau. Sie hat es mit Hubert nicht anders gemacht,
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