Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
und dabei wohl immer wieder ziemlich laut auf ihren Mann geschimpft. Sagt die Nachbarin zur Linken, die sich angeblich kaum noch auf ihren Liebesroman konzentrieren konnte. Ich glaube eher, dass sie die Neuigkeiten aus dem Nebenhaus ganz gern belauscht hat. Jedenfalls kann sie bezeugen, dass Frau Westermür zu Hause war. Danach, das war dann schon so gegen Mitternacht, ist die Westermür in ihrem Garten gewesen und hat ein komplettes Rosenbeet verwüstet, das ihr Mann im vergangenen Jahr mit großer Liebe angelegt hatte. Damit sie auch sehen konnte, was sie anrichtet, hat sie die beiden Bewegungsmelder an der Terrasse auf Dauerbetrieb gestellt. Und deren Licht trifft offenbar direkt ins Schlafzimmer des Reihenhauses hinter dem der Westermürs und hat die Bewohner aus dem Schlaf gerissen. Die haben sich die Show im Nachbargarten nicht entgehen lassen und sind erst, als alles vorbei war, wieder eingeschlafen. Das war so gegen drei Uhr morgens. Dann ist die Westermür zurück ins Haus und hat dort im Schlafzimmer randaliert. Dinge gegen die Wand geworfen und immer wieder lauthals ihren Mann verflucht. Erst gegen fünf Uhr morgens muss Ruhe eingekehrt sein, so die Aussage der Nachbarin zur Rechten, deren Schlafzimmer an das der Westermür grenzt.«
»Sauber.« Bastian Kreuzer klingt ehrlich beeindruckt. »Das nenne ich doch mal einen Wutanfall.«
»Ist aber trotzdem Pech für euch. Die Dame könnt ihr wohl vergessen.« Mit der ihm eigenen bedächtigen Art erklärt der Chef der Spurensicherung Leo Blum: »Denn um kurz nach sechs saß die Leiche ja schon blitzblank geputzt im Strandkorb. Und vermutlich ist der Mord auch am Strand geschehen. Vielleicht sogar ganz unten am Flutsaum. Das Meer hat jedenfalls viele Spuren verwischt, und der Täter hat das Seine dazu beigetragen, dass wir ziemlich im Dunkeln tappen.«
»Das wissen wir schon.« Bastian seufzt vernehmlich. »Der Rechtsmediziner hat nicht eine einzige fremde Faser an der Leiche entdecken können. Das gibt es eigentlich fast nie. Irgendwas finden die immer. Unter den Fingernägeln oder bei Frauen in der Scheide. Okay, da gab es auch jetzt etwas. Immerhin zwei winzige Spermareste von unterschiedlichen Männern.«
»Und jede Menge von diesem gelben porösen Material«, wirft Leo Blum ein und wickelt nachdenklich seine langen Haare ums Handgelenk. »Da sind wir übrigens dran. Und es sieht auch so aus, als hätten wir die Herkunft ermittelt.«
»Das sagst du erst jetzt?« Bastian stößt sich vom Fensterbrett ab und springt fast auf den Spurensucher zu. Der bleibt cool und setzt nur ein müdes Grinsen auf.
»Das Beste zum Schluss, ist doch so, oder?«
»Jetzt spuck’s schon aus, Leo.«
»Es gibt in jedem Baumarkt und auch an jeder Tankstelle eine bestimmte Sorte von Autoputz-Sets. Habt ihr bestimmt alle schon mal gesehen. Das ist so eine würfelförmige Box aus durchsichtigem Plastik mit unterschiedlichen Lappen und Schwämmen darin. Wenn ihr mich fragt, dann ist das völlig unnötig, höchstens etwas für Neurotiker, aber gut. Vielleicht irre ich mich, und es ist tatsächlich wichtig, den Außenspiegel mit einem anderen Material zu säubern als die Stoßstange.«
»Komm zur Sache«, mahnt Bastian mit ungeduldiger Stimme.
»Immer mit der Ruhe. Materialien können ja auch sehr wichtig sein, wie wir wissen. Und in jedem dieser Sets gibt es einen sehr großporigen gelben Kunststoffschwamm. Angeblich ist der besonders schonend zum Lack und trotzdem bestens geeignet, um hartnäckige Verschmutzungen zu entfernen. Sagt die Gebrauchsanleitung.«
»Und mit diesem Teil hat der Mörder alle hartnäckigen Spuren von der Toten entfernt, oder wie?« Siljas Frage richtet sich weniger an Leo Blum als an Bastian Kreuzer. »Du warst doch bei der Autopsie dabei.«
»Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, ganz genau. Und der Rechtsmediziner hat überall am Körper, sogar im Inneren der Scheide Krümel von diesem gelben Material gefunden.«
Sven Winterberg, der bisher geschwiegen und fast schon abwesend unter halb geschlossenen Lidern seine Kollegen beobachtet hat, richtet sich abrupt auf.
»Dann stellt sich das Ganze für mich jetzt so dar: Die Polenz hat sich mit dem Täter irgendwo außerhalb ihrer Wohnung getroffen, wahrscheinlich in Strandnähe. Er hatte sein Auto dabei, in dessen Kofferraum sich eine von diesen Putzboxen befand. Die beiden sind in Streit geraten und er hat sie schließlich erwürgt.«
»Warte mal kurz«, unterbricht Bastian den Kollegen. »Kampfspuren
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