Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
»Zwischen denen klafft schon ein ganzer Abgrund, das kannst du mir glauben.«
Dienstag, 21. Juni, 08.31 Uhr,
Zwischen den Hedigen,
Westerland
Als Sven und Silja aus dem Wagen steigen, rollt das Auto Hubert Mönchingers gerade aus der Einfahrt des Einfamilienhauses. Sven stellt sich dem Wagen kurzerhand in den Weg. Ungehalten bremst Mönchinger und lässt sein Fenster herunter.
»Ich habe einen Termin. Was ist denn noch?«
Sven ignoriert den aggressiven Unterton und antwortet höflich.
»Wir müssen dringend mit Ihnen reden. Dauert nicht länger als eine halbe Stunde. Können Sie Ihren Termin vielleicht verschieben?«
»Nein.«
Mönchinger lässt den Motor aufheulen. Inzwischen ist auch Silja seitlich an den Wagen herangetreten.
»Herr Mönchinger, es ist wichtig. Wir haben möglicherweise neue Erkenntnisse, was Ihre Frau betrifft«, behauptet sie, ohne zu wissen, wie sie sich später aus der Notlüge retten soll. Immerhin zeigen ihre Worte Wirkung. Mönchinger guckt ungläubig, zückt aber sein Handy und ruft eine gespeicherte Nummer auf.
»Mönchinger hier. Es tut mir leid, ich muss heute absagen. Die Polizei hat irgendetwas herausgefunden. Kann ich stattdessen morgen kommen? Bitte! Sie wissen ja, es ist mir sehr wichtig. Ich melde mich nachher noch einmal.«
Sven und Silja entgeht es nicht, dass Hubert Mönchinger jede Namensnennung seines Gesprächspartners vermeidet. Die beiden Ermittler wechseln einen kurzen Blick, dann wird ihre Aufmerksamkeit auf Christa Mönchinger gelenkt, die sichtlich alarmiert aus dem Haus kommt.
»Was gibt es denn jetzt schon wieder?«
»Wir müssen das Alibi Ihres Bruders überprüfen«, erklärt Sven mit ernster Miene.
Die Reaktion der Geschwister ist eindrucksvoll. Hubert Mönchinger gibt plötzlich Gas und fährt den Oberkommissar fast über den Haufen. Erst in letzter Sekunde macht er einen Schlenker. Doch anstatt anschließend davonzubrausen, wie er es wahrscheinlich vorhatte, überlegt er es sich anders, stoppt nur wenige Meter hinter dem Gartentor und parkt den Wagen auf der Straße. Als er mit niedergeschlagenen Augen zu den drei anderen zurückkommt, schlägt Silja vor, ins Haus zu gehen.
»Wird besser sein«, murmelt Hubert Mönchinger und geht voran, ohne seine Schwester eines Blickes zu würdigen.
Wenig später sitzen alle vier im Wohnzimmer, die beiden Ermittler auf der Couch, Bruder und Schwester einander gegenüber in je einem Sessel. Zwischen ihnen auf dem Couchtisch liegt wie eine stumme Anklage der Sylter Anzeiger. Die riesigen Lettern der Titelzeile sind kaum zu übersehen. Tote am Strand war Westerländer Prostituierte. Alle Anwesenden bemühen sich, die Zeitung zu ignorieren. Sven bricht als Erster das belastende Schweigen. Eindringlich sieht er dem Hausherrn ins Gesicht.
»Es tut uns leid, dass wir Sie beide so überfallen haben. Aber der Mord am Strand ist keine Kleinigkeit. Und dass quasi gleichzeitig Ihre Frau verschwunden ist, gibt uns natürlich zu denken.«
»Ich habe Ihnen doch schon erklärt …«, fällt ihm der Hausherr ins Wort, wird aber durch eine entschiedene Geste Sven Winterbergs zum Schweigen gebracht.
»Moment bitte, ich war noch nicht fertig. Wir sind hier, um diesen Teil der Ermittlungen möglichst endgültig abzuschließen. Dafür brauchen wir aber noch einige Informationen von Ihnen, Herr Mönchinger.«
»Und die wären?«
»In welchem Hotel in Flensburg haben Sie in der Mordnacht geschlafen, und gibt es dafür Zeugen?«
»Sie verdächtigen jetzt aber nicht meinen Bruder, diese Nutte erwürgt zu haben?« fährt Christa Mönchinger mit schriller Stimme dazwischen und schlägt mit der flachen Hand auf die Titelseite des Sylter Anzeigers.
»Frau Mönchinger, bitte.«
Siljas beschwichtigende Handbewegung wird von Christa Mönchinger mit einem verächtlichen Blick beantwortet. Die Wut steht ihr im Gesicht geschrieben, doch bevor sie weitertoben kann, schaltet sich ihr Bruder ein.
»Ich war in dieser Nacht überhaupt nicht in Flensburg.«
»Sondern?« Sven rutscht auf der Sofakante nach vorn und beugt sich so weit wie möglich zu Mönchinger hinüber. Dieser beginnt leise und stockend zu reden.
»Ich bin wie üblich zum Autozug gefahren. Und auf dem Festland dann weiter Richtung Flensburg. Aber dann …« unstet tastet sein Blick das Gesicht des Kommissars ab, bevor er weiterredet, »… aber dann hatte ich plötzlich so ein merkwürdiges Gefühl, ich weiß auch nicht.«
»Sie hatten sich doch mit Ihrer Frau
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