Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
gestritten«, fällt Sven ein.
»Nein!« Hubert Mönchingers Stimme wird schrill. »Ich schwör’s Ihnen. Es war alles in Ordnung. Nur zur Sicherheit habe ich Marga noch einmal angerufen.« Ein eindringlicher Blick Mönchingers wandert zu seiner Schwester, doch die bemerkt es gar nicht, denn sie schaut mit starren Augen auf das Foto der ermordeten Prostituierten, als sei diese eine wichtige Zeugin, deren Aussage dringend benötigt wird. »Ich habe also Marga auf dem Handy angeklingelt. Aber sie ist nicht rangegangen.«
»Und das war ungewöhnlich?«, fragt Silja mit sehr leiser Stimme. Sie will es unbedingt vermeiden, Mönchinger aus seinem Redefluss zu reißen.
Mönchinger nickt. »Sehr sogar. Ich habe es anschließend noch zwei- oder dreimal probiert. Erfolglos. Da bin ich dann umgekehrt.«
»Auf die Idee, den Festnetzanschluss anzurufen, sind Sie nicht gekommen?«
»Nein. Warum hätte ich das tun sollen? Ich dachte ja, Christa ist nicht zu Hause. Und Marga geht eher an ihr Handy als ans Festnetz.« Wieder sendet er seiner Schwester einen eindringlichen Blick. Diesmal erwidert sie ihn.
»Das reicht jetzt.« Sven Winterberg springt auf und fasst Hubert Mönchinger unsanft am Arm. »Sie beide kommen mit aufs Revier. Ich möchte Sie getrennt vernehmen.«
»Sie haben keinen Haftbefehl«, japst Mönchinger.
Sven zückt sein Handy und antwortet cool: »Das wäre eine Sache von einer Viertelstunde. Höchstens. Aber ich frage mich, warum Sie davon ausgehen, dass ich einen Haftbefehl brauchen werde. Bisher will ich Sie nur als Zeugen vernehmen. Und Ihre Schwester auch.«
»Natürlich kommen wir mit.« Christa Mönchinger redet plötzlich sehr schnell. »Wir sind gern bereit auszusagen, dass Hubert noch vor Mitternacht wieder hier war. Ich kann das bezeugen.«
»Halten Sie die Klappe, verdammt nochmal«, schimpft Sven und zerrt Mönchinger am Arm aus dem Zimmer. In der Tür dreht er sich kurz um. »Ich nehme das Dienstauto und schicke dir einen Streifenwagen, Silja. Damit kommt ihr beide dann nach. Wir sehen uns auf dem Präsidium.«
Silja nickt. Nachdem beide Männer das Haus verlassen haben, sagt sie eindringlich zu Christa Mönchinger: »Sie haben Ihrem Bruder eben keinen Gefallen getan, auch wenn Sie selbst das vielleicht anders sehen. Wie sollen wir Ihnen denn glauben, wenn wir den Eindruck bekommen, dass Sie das Alibi absprechen?«
»Mein Bruder ist kein Mörder«, flüstert die Mönchinger, greift nach der Zeitung auf dem Tisch und reißt das Titelblatt mit dem Foto der Toten in zwei Stücke. Der Riss geht genau durch die weit geöffneten Augen. »Er hat diese Hure nicht umgebracht. Dazu ist er gar nicht fähig, das werden Sie auch noch feststellen. Und im Übrigen war er hier. Die ganze Nacht lang, dabei bleibe ich. Er kam noch vor Mitternacht, Marga war schon weg, und dann hat Hubert das Haus bis zum nächsten Morgen nicht mehr verlassen.«
»Wir werden ihn dazu befragen, Frau Mönchinger. Allerdings nicht in Ihrer Anwesenheit. Und glauben Sie mir, wenn wir auch nur den geringsten Widerspruch in Ihrer beider Äußerungen finden, dann werden Sie jedes Wort bereuen.«
»Reue«, faucht Christa Mönchinger. »Reden Sie doch nicht so, als wüssten Sie, was das ist.« Ihr ganzer Körper richtet sich kerzengerade auf, als sie aus dem Sessel aufsteht. »Reue ist etwas für Schwächlinge«, fügt sie leise hinzu und geht hocherhobenen Hauptes zur Eingangstür, öffnet sie einen Spalt breit und sieht hinaus. »Da draußen steht schon der Streifenwagen, von dem Ihr Kollege geredet hat. Ich wusste gar nicht, dass die Polizei so schnell sein kann. Gehen wir?«
Dienstag, 21. Juni, 11.35 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
»Fassen wir zusammen.« Bastian Kreuzer lehnt an seinem Lieblingsplatz am Bürofenster und dreht den Kaffeebecher zwischen den Händen. »Die Aussagen der Geschwister stimmen darin überein, dass Hubert Mönchinger in der Mordnacht ab Mitternacht zu Hause war. Beide haben außerdem übereinstimmend ausgesagt, dass er erst für seinen Besuch bei uns am nächsten Morgen das Haus wieder verlassen hat. Das haben sie nicht abgesprochen, jedenfalls nicht in eurer Anwesenheit. Ist das richtig?«
Silja und Sven nicken einträchtig. Sie wissen beide sehr genau, dass ihnen noch eine kräftige Strafpredigt bevorsteht. Sie hätten von Anfang an damit rechnen müssen, dass die Situation im Hause Mönchinger eskaliert, und die Geschwister gleich trennen sollen. Silja kann sich sogar daran erinnern, dass
Weitere Kostenlose Bücher