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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Gottes zu fühlen. Die Laute des Waldes hörte ich nicht, so sehr dröhnte die Baracke von tanzenden Füßen.
    Als ich mich zum Gehen wandte, sah ich Harry beim Seitenfenster stehen und hineinstarren. Versunken, wie er war, hörte er mich nicht kommen. Er zuckte zusammen, holte zum Schlag aus.
    »Nicht, Harry! Ich bin’s!«
    »Ach so.«
    »Warum gehst du nicht hinein?«
    »Wozu?«
    »Um mitzuhalten.«
    »Warum soll ich mithalten?«
    Ich lachte. »Es ist doch ganz harmlos.« Welche Lüge!
    »Morgen werden sie zu nichts zu gebrauchen sein«, sagte Harry verärgert.
    »Weihnachten ist’s!«
    »Was soll sein?«
    »Ach nichts. Ein Scherz nur, von einem andern.«
    Das Strohdach knarrte, und ich dachte: Diesem Radau hält die Baracke nicht stand. Sie wird noch bersten.
    »Harry …«
    »Warum gehst du nicht zu Bett?« fiel er mir ins Wort. Er wollte sich auf kein Gespräch einlassen.
    »Du hast mir doch mein Bett genommen.«
    »Ach, richtig.«
    Er war sichtlich nervös. Ich dachte: Es ist ein Fieber. Sie alle haben es, haben es wie Adam. Auch Harry kann es nicht verleugnen, zwar gibt er vor, nur beiläufig durchs Fenster zu schauen, aber seine Augen verschlingen die Mädchen.
    Ich weiß eigentlich nicht, warum ich in diesem Augenblick für sie eintreten wollte. Ich sagte: »Glaubst du nicht, Harry, daß du mit deinem harten Urteil ein wenig zu rasch bist?«
    »Hör auf, mir zu predigen!«
    »Schau, Harry: Es ist doch immer die gleiche Geschichte …«
    »… die ich nicht hören möchte.«
    »Es war doch schon immer so, bevor noch die Mutter den Puff in São Paulo hatte, bevor noch …«
    Durch eine ungeduldige Geste versuchte er, mir das Wort abzuschneiden.
    »Du weißt, wie es ist«, fuhr ich fort. »Das Klima hier ist daran schuld. Eine Frau ohne Schutz ist Fressen für die Wölfe.«
    »Und die da drinnen, das sind Wölfe, oder nicht?«
    »Nun ja, gewissermaßen.«
    »Schluß jetzt! Du schwätzt zuviel!«
    Die Tanzenden quollen nun ins Freie, die Mädchen voran, erhitzt und lachend und winkend, die Männer hinterdrein, aneinandergereiht. Ich bemerkte, wie Luke und Leo bei der Tür rasch zur Seite springen mußten. Die Menschenschlange wand sich hierhin, wand sich dorthin und kroch dann geradewegs dem Lazarett zu. Irgendeiner hatte für Tomasino das Fenster geöffnet, damit er zuhören könne.
    Ich ging zu Luke. »Du solltest sie nicht hinüberlassen.«
    »Weshalb?«
    »Tomasino wird doch …«
    »Was ändert’s daran? Laß ihm doch das bißchen Spaß, bevor er geht!«
    Spaß! Besorgt wollte ich mich an Harry wenden, aber er war fort.
    Sie umtanzten das Lazarett, richteten den Rhythmus ihrer Schritte weiterhin nach dem Dröhnen der Musik. Von der Mauer des Waldes hallte es zurück. Ich dachte: Heute sind alle verrückt. Aber die Sache ist kein Spaß. Deshalb wollte ich rasch zum Lazarett hinüber, aber sie hielten mich auf, zerrten mich mit. Verdrossen und wütend kämpfte ich mich frei. Verrückt, wirklich verrückt waren sie. Ich betrat das Lazarett, gefaßt, Tomasino leiden zu sehen. Der aber saß aufrecht in seinem Bett, dem Fenster zugekehrt, und sah ihnen mit leuchtenden Augen zu. Er sah gesünder aus denn je.
    »Ist das meinetwegen?« rief er.
    »Ich nehme es an.«
    »Wie lieb von ihnen!«
    »Ja.« Ich kam mir sehr töricht vor.
    »Senhor Juan, machen Sie das Fenster noch weiter auf!«
    »Du bist nicht gut bei Kräften.«
    »Ich will sie hören! Sie sind doch gekommen, um sich von mir zu verabschieden.«
    Der Priester sah uns höhnisch zu. Er mischte sich nicht ein. Seine Finger spielten mit den Rosenkranzperlen.
    »Wie du willst, Tomasino«, sagte ich und öffnete weit das Fenster. Ich sah die erhitzten, wilden Gesichter draußen vorbeihüpfen. Das Getöse war gräßlich. Tomasino seufzte. Dann kicherte er vergnügt, und als ich das nächstemal zu ihm hinsah, schlief er fest.
    Ich rief zu den Männern hinaus: »Ihr könnt jetzt gehen! Er schläft.«
    Barney rief zurück: »Sag ihm, wir kommen morgen wieder!« Ich dachte: Das Fest wird lange dauern, er aber wird morgen nicht mehr da sein.
    Ich hörte sie über den Platz zurücktoben, zurück in den Tagraum. »Heute lassen sie ein wenig Dampf ab«, sagte ich zu Pater Luis und zuckte die Achseln.
    Sein düsteres, strenges Gesicht sah mich forschend an. »Dampf kann die Haut verbrennen.«
    »Ia« sagte ich. Doch es war mir zu tief. Er war wirklich nicht der glücklichste aller Priester.
    Ich ging in die Baracke des Aufsehers und legte mich auf eine Couch. Doch die

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