Männerfrei: Roman (German Edition)
wecken? Dass ich in der Badewanne meine Titten in die Höhe strecke? Mein Blick wandert kurz zu Andy und dann wieder zurück zu den Entwürfen. » Was ist denn daran bitte schön sexy oder geistreich oder weckt Fantasien? Dass sie einen Orgasmus erlebt oder dass sie eine Figur wie ein Pornostar hat?«
» Beides. Alles. Hör zu, das ist das Einmaleins der Werbung: Man sagt den Frauen, dass die Männer sie begehren, wenn sie dieses Produkt benutzen. Das verstehst du doch sicher, oder, Herzchen?« Ich spüre, dass Andy mich verächtlich ansieht.
Ich hole tief Luft. Ich kann es nicht ausstehen, von Vollidioten » Herzchen« genannt zu werden. Ich darf nicht emotional werden. Ich sehe wieder Coop an, aber der starrt auf die Entwürfe, mit völlig ausdrucksloser Miene. Ich halte diese Ideen wirklich für misslungen, wenn ich mich allerdings aufrege, kommen mir die Tränen vor Wut, und wenn ich Andy oder Cooper sehen lasse, wie sehr mich das ärgert– nicht nur der unterschwellige Sexismus der Anzeigen oder die schlechte Idee, sondern auch, dass Andy auf den letzten Drücker in der festen Überzeugung, dass er übernehmen kann, damit anrückt–, dann verliere ich. Und ich muss gewinnen. Höchste Zeit, dass ich gewinne.
» Der Text funktioniert nicht, Andy…«
» Okay, vielleicht sollten die › Zeig mir ‹ -Zeilen noch mal überarbeitet werden«, unterbricht Andy mich. » Aber die Idee stimmt.«
» Hier gibt es keine Idee, Andy. Die Kampagne richtet sich an Frauen, und die werden auf diesen… diesen Softporno nicht ansprechen.«
» Mag sein, dass du dir wünschst, dass es nicht funktioniert, aber du irrst dich. Sex sells. Kannst du nachschlagen.«
Ganz cool bleiben. Ich sehe Andy direkt in die Augen und halte seinem Blick stand. (Wow, so schwer ist das gar nicht.)
» Wir wenden uns an Frauen, nicht an Männer. Frauen sind nicht dumm, Andy. Denk nur an die Dove-Kampagne vor ein paar Jahren mit den › echten Frauen ‹ . Dove hat damit seinen Umsatz um siebenhundert Prozent gesteigert. Das war eine attraktiv verpackte Wahrheit, warm und freundlich… und keine kalten, durchsichtigen Hochglanzlügen. Frauen sprechen auf so etwas nicht an. Du kannst sie mit diesem › Weckt Fantasien ‹ -Scheiß nicht locken. Das ist der Playboy mit einer Shampooflasche in der Ecke.«
» Reg dich ab, Herzchen«, sagt Andy spöttisch. » Es ist vielleicht ein bisschen gewagt, aber… Damit erregt man in der Presse Aufsehen. Erinnerst du dich noch an die › Hello Boys ‹ -Kampagne von Wonderbra? Oder an die › FCUK ‹ -Kampagne von French Connection?«
Ich hole tief Luft. Zeit auszupacken.
» Ja. › Hello Boys ‹ war frisch und frech, ist allerdings schon eine Generation her. Das hier ist weder frisch noch frech und auch nicht themenrelevant… Danke, Andy, dass du für dieses Projekt so viel Zeit geopfert hast, doch diese Entwürfe hier funktionieren einfach nicht.« Ich sehe, dass er etwas erwidern will, aber ich halte seinem Blick stand und rede weiter, in möglichst neutralem Ton. » Um ehrlich zu sein, sie sind nur abgekupfert. Die Idee mit dem Orgasmus durch Pflegeprodukte ist ein Abklatsch von der früheren Herbal-Essences-Werbung. Wie der eine Spot mit der Frau, die unter der Dusche herumstöhnt und kreischt.« Ich sehe im Augenwinkel, dass Cooper nickt. Ich hole wieder tief Luft und fahre fort. » Das ist ein alter Hut seit Harry und Sally. Urkomisch, ja, aber schon über zwanzig Jahre alt. Und das › Zeig mir ‹ ist sicher abgeschaut von Jerry Maguire, was auch schon über zehn Jahre her ist. Das sagt man heute nicht mehr.«
» Wieso nicht?« Andys Stimme klingt ein wenig lauter. » Hör zu, Herzchen, vielleicht fehlen dir einfach die Erfahrung und der Mut, so etwas zu bringen…«
» Das hat nichts mit Mut zu tun. Ich finde, äh, die ganze Grundidee langweilig und überholt.« Warum zum Teufel sagt Cooper nichts? Ist das ein Test? » Andy, die Kunden werden in einer guten Viertelstunde hier sein. Wir haben keine Zeit mehr, selbst wenn das hier der perfekte Wurf wäre, der uns anderen irgendwie in den Vierzehn-Stunden-Schichten während der letzten Monate nicht eingefallen ist. Wir haben zwei Entwürfe, mit denen wir zufrieden sind und von denen Lukas, der immerhin der hiesige Geschäftsführer ist, denkt, dass sie der Konzernleitung gefallen werden. Vielen Dank für deine Unterstützung, aber wir können deine Ideen nicht verwenden.«
Es entsteht eine sehr, sehr lange Pause. Ich kann die Anspannung im Raum
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