Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
schön, aber gesetzt und verständig. Von diesen beiden Schwestern beschloß Blaubart eine zu heirathen.
In einem schönen goldenen Wagen, mit sechs Pferden bespannt, und von vielen prächtig gekleideten Dienern umgeben, fuhr er zu der Wittwe, und begehrte von ihr das schöne Trudchen zur Gemahlinn. Die Mutter war darüber sehr erfreut, denn sie hielt es für eine große Ehre, einen König zum Schwiegersohn zu haben, auch war es ihr lieb, dadurch ihr jüngstes Kind versorgt zu sehen, weil sie schon anfing, alt zu werden. Sie führte daher den König sogleich in das Gemach ihrer Töchter, damit sie sich sähen.
Als Trudchen hörte, daß der König sie zur Gemahlinn erwählt habe, war sie gar nicht abgeneigt: denn er war schön gewachsen, und sehr angenehm in seinem Betragen; aber wenn sie seinen blauen Bart ansah, so wurde ihr doch so graulich und ängstlich zu Muthe, daß sie es sich gar nicht erklären konnte. So sehr ihr also auch die Mutter und die Brüder zuredeten, dem Könige zu folgen, so konnte sie sich doch lange nicht entschließen, ihm ihre Hand zu geben. Endlich jedoch willigte sie ein, nachdem ihr Schwester Aennchen versprochen hatte, sie zu begleiten und bei ihr zu bleiben. Aus ängstlicher Besorgniß ging sie aber vorher noch zu ihren Brüdern, welche sehr tapfere Ritter waren, und sprach: »Der König mit seinem blauen Barte erweckt mir eine heimliche Furcht, so oft ich ihn ansehe; wenn Ihr mir aber versprecht, mich von Zeit zu Zeit zu besuchen, und mich zu beschützen, wenn es mir etwa übel bei ihm gehen sollte, so will ich ihn nehmen.«
Das versprachen ihr die Brüder mit Hand und Mund, und der älteste gab ihr eine silberne Pfeife, die schallte viele Meilen weit, wenn man hineinstieß. »Nimm diese Pfeife,« sagte er, »und wenn dir irgend eine Gefahr drohen sollte, so blase hinein, und wir werden spornstreichs kommen und dir helfen.«
Nun war Trudchen zufrieden, küßte die Brüder, und nahm Abschied von ihnen und von der Mutter, und schied unter tausend Thränen; Aennchen aber begleitete sie, und reisete mit ihr.
Wie erstaunt waren sie aber, als sie in Blaubarts königlichem Palaste ankamen, und die Pracht und den Glanz sahen, der ihnen aus Sälen und Zimmern und Schlafgemächern und den kostbarsten Geräthschaften entgegen schimmerte! Was ihre Augen wünschten, fand hier Trudchen, und alle Tage wurden unter immer neuen Vergnügungen und Lustbarkeiten zugebracht. Das gefiel Trudchen, und sie wäre ganz glücklich gewesen, wenn sie nicht jedes Mal ein heimliches Grauen empfunden hätte, so oft sie den blauen Bart des Königs ansah. Doch wußte ihr Aennchen immer wieder zuzureden, und da sie in beständigen Zerstreuungen und Lustparthieen lebte, so waren die widrigen Eindrücke auch nur von kurzer Dauer.
Drei bis vier Wochen mochte dies lustige Leben so gewährt haben, als eines Tages der König Blaubart zu seiner jungen Gemahlinn sagte: »Ich muß verreisen, und dich auf einige Zeit verlassen. Hier hast du die Schlüssel zu allen Gemächern im Schlosse, zu den Gewölben, Kellern, Speichern und Kammern. Hüte sie wohl, daß du keinen verlierst. Ganz vorzüglich aber nimm diesen kleinen goldenen Schlüssel in Acht. Alle Thüren im ganzen Hause magst du aufschließen, nur die Kammerthüre nicht, wozu dieser kleine goldene Schlüssel paßt; merke dir das recht, und höre auf meine Worte, wenn dir dein Leben lieb ist.«
Trudchen versprach, Alles zu thun, wie er es verlange, und sich der verbotenen Kammer nicht zu nahen, noch weniger sie zu berühren.
Als nun Blaubart abgereis't war, öffnete sie nach und nach alle Gemächer und Kammern, die ihr nicht verboten waren. Welche Menge von Reichthümern und Schätzen erblickte sie da! Ganze Haufen waren hier von Silber, dort von Golde, viele sogar von Perlen und Edelsteinen aufgeschichtet. Andere Zimmer waren vollgehängt von ausgelegten Waffen, Purpurkleidern, Hermelin und Sammt und Seide. Ueberall lagen die schönsten Teppiche ausgebreitet, Kronenleuchter schimmerten im wunderbarsten Glanze, und an den Wänden herum hingen ungeheure Spiegel, in welchen man sich von Kopf bis zu Fuße sehen konnte, und die mit breiten goldenen und silbernen Rahmen eingefaßt waren.
Kein Zimmer hatte Trudchen nunmehr unbesucht gelassen, nur die verbotene Kammer am Ende der langen Gallerie war noch übrig, wozu der kleine goldene Schlüssel führte. So oft sie diesen ansah, wurde auch ihre Neugier immer von neuem rege, sie
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