Magnolia Steel – Hexennebel
habe nicht die geringste Lust, dass ihr sie von hier vertreibt.«
Zehntes Kapitel
Flachs zu Gold
Linettes Worte zeigten Wirkung. Kobolde, Zwerge, Nussweiblein und Hexen verhielten sich vorbildlich. Niemand sprach ein Wort, und als Magnolia sich später auf den Weg zur Schule machte, gingen in den Wohnwagen der Spinnerinnen auch schon die Fensterläden auf. Die drei alten Frauen schienen wahrhaftig keine Langschläfer zu sein. Wie dumm, dass Magnolia losmusste. Sie wäre zu gerne dabei gewesen, wenn aus dem ersten Flachs Gold wurde.
Aber das war ein Wunsch, von dem man Frau Mümmel nicht einmal erzählen durfte.
Notgedrungen machte sich Magnolia auf den Weg nach Rauschwald. Mit fliegenden Haaren sauste sie über die Brücke und beglückwünschte sich gerade zu einem neuen Streckenrekord, als ihr Jörna einfiel. Die hatte in Wurmstadt ganz sicher noch nichts von der Ankunft der drei Spinnerinnen mitbekommen. Magnolia bremste so heftig, dass ihr Hinterrad sie beinah überholte, und zückte ihr Handy. Bereits nach dem zweiten Klingeln war ihre Freundin dran.
»Hi, bist du schon im Unterricht?«, fragte Magnolia sofort.
»Ja, aber Herr Knorpel ist noch nicht aufgetaucht. Gibt es was Wichtiges?«
»Die drei Spinnerinnen sind da!«
»Waaaas?«, kreischte Jörna und schlug sich gleich darauf auf den Mund. »Sorry«, sagte sie in ihre Klasse hinein. Dann dämpfte sie die Stimme. »Hast du die drei schon gesehen?«
»Na klar, ich musste mitten in der Nacht ihren Stall ausmisten«, berichtete Magnolia nicht ganz wahrheitsgemäß.
»Sie leben in einem Stall?«
Magnolia grinste. »Nein, aber ihre Ponys, und um die musste ich mich mitten in der Nacht kümmern.«
»Finde ich jetzt nicht so schlimm«, meinte Jörna.
»Ich eigentlich auch nicht. Aber im Nachthemd und mit Goofy-Puschen an den Füßen ist das nicht unbedingt der Kracher«, versicherte Magnolia.
Jörna kicherte. »Du Ärmste. Mist, ich muss Schluss machen. Herr Knorpel kommt. Heute Nachmittag komme ich auf jeden Fall mit unserem Flachs vor…«
»Jörna! Leg dein Handy bitte hier vorne zu mir auf das Pult«, hörte Magnolia eine entfernte Stimme, und die Verbindung brach ab.
Sie wollte gerade weiterfahren, als im Laden gegenüber die Tür aufging und Meister Schnuck einen gelben Aufsteller herausstellte. Aushilfe gesucht , stand dort in dicken schwarzen Buchstaben. Magnolia zögerte. Wenn das kein Zeichen war! Sie hatte schon öfter über einen Job nachgedacht und in diesem Laden Geld zu verdienen wäre einfach perfekt. Das mickrige Taschengeld, das Tante Linette ihr zahlte, reichte hinten und vorne nicht. Im Geiste sah Magnolia sich schon eigene Parfüms entwerfen und nach Herzenslust in den vielen alten Büchern schmökern. Meister Schnuck wollte gerade wieder in seinem Geschäft verschwinden, als Magnolia sich entschlossen hatte. »Entschuldigung!«, rief sie. Erstaunt sah Meister Schnuck sich um.
»Sie suchen eine Aushilfe?«, fragte Magnolia nicht besonders schlau.
Meister Schnuck lächelte. »So steht es auf dem Schild. Hast du vielleicht Interesse?«
Magnolia war hin- und hergerissen. Einerseits wartete hier vielleicht ihr erster richtiger Job, andererseits wartete in der Schule Frau Mümmel.
»Interesse schon«, beteuerte sie. »Leider muss ich jetzt zum Unterricht. Es wäre nicht gut, zu spät zu kommen.«
»Das ist die richtige Einstellung«, lobte Meister Schnuck. »Dann schau doch einfach heute Mittag nach Schulschluss noch einmal vorbei.«
Magnolia lächelte erleichtert. »Super, das mach ich! Vielleicht könnten Sie das Schild so lange wieder hereinholen?«
Doch davon wollte Meister Schnuck nichts wissen. »Konkurrenz belebt das Geschäft!«, sagte er. »Und ich bin nun mal ein Geschäftsmann.«
Magnolia blieb also nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass der Job mittags noch frei war.
Noch nie hatte sich der Unterricht derart in die Länge gezogen. Je mehr Zeit verstrich und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr wollte Magnolia diesen Job. Sie mochte gar nicht daran denken, dass er heute Mittag vielleicht schon vergeben war. Wenn sie nur an die alten Bücher dachte, die darauf warteten, gelesen zu werden, kribbelte es ihr in den Fingern.
Vom Unterricht bekam sie so gut wie gar nichts mit. Die Weimarer Republik war ihr herzlich egal. In Gedanken blätterte sie bereits im sagenumwobenen Nekronomikon.
Als sie Birte und Merle in der Pause davon erzählte, wurden die beiden fast ein bisschen neidisch. »Ultra
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