Maltas Geheimnis
Sie finanziell ein wenig unterstützen.« Alisha war verwirrt. Ihre Gedanken flogen hin und her – sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Dass die Polizei Axel und Jens innerhalb 24 Stunden finden konnte, war für sie plausibel. Dass der Ring neueren Datums sein sollte, ergab allerdings keinen Sinn. Wenn er wirklich am Finger eines erst in den letzten Jahrzehnten Verschütteten gesteckt hatte, müsste nach diesem doch eine Suche stattgefunden haben, auch oder gerade wenn es sich um einen Touristen gehandelt hatte – und das musste dann aktenkundig sein. Aber wie war dieser Mensch dann in diese Höhle gekommen? Hatte es sich ebenfalls um einen Extrem-Kletterer gehandelt? Wie lange musste ein Mensch unter Geröll begraben liegen, bis nur noch blanke Knochen von ihm übrig blieben? Sie konnte sich diese Fragen nicht beantworten, aber es blieb ein ungutes Gefühl zurück. Und was bedeutete »Neunstern«? Warum hatte dieser vor Selbstsicherheit und Selbstbeherrschung nur so strotzende Hoteleigentümer in seiner Muttersprache so überrascht reagiert?
»Nein, vielen Dank«, wehrte sie das Angebot kopfschüttelnd ab, »ich möchte den Ring als Erinnerungsstück behalten. Gerade wenn ich Axel nie m…«
Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie war fertig mit den Nerven und hoffte, dass sie nun endlich alleine gelassen werden würde. Wie aus der Ferne hörte sie die Männer auf sie einreden. Es sollten alles tröstende Worte sein. Sie spürte, wie der Hoteleigentümer ihr den Ring in die Hand drückte und väterlich über den Kopf streichelte, bevor er mitsamt des Hoteldirektors und Polizeichefs die Suite verließ.
Bekleidet warf sie sich auf das breite Doppelbett und ließ sich gehen – sie weinte, bis sie das Gefühl hatte, nie wieder weinen zu können, weil alles Flüssige aus ihr herausgelaufen war. Danach war ihr wieder wohler.
Sie stand auf, wusch kurz ihr Gesicht ab, zog sich einen Sessel vor das Fenster und starrte über die Terrasse hinweg auf die untergehende Sonne. In diesem Moment, als sie den Ring fest in ihrer Faust hielt, glaubte sie zu spüren, dass Axel noch am Leben war.
- 6 -
Die folgende Nacht war für Alisha das erste Mal seit Langem wieder eine Erholung gewesen. Sie war schon vor neun Uhr abends schlafen gegangen und hatte traumlos wie ein Stein fast dreizehn Stunden durchgeschlafen.
Nachdem sie sich fertig gemacht und das Zimmer verlassen hatte, traf sie auf dem Gang einen Kellner, den sie seit ihrer Anwesenheit im Hotel schon mehrmals gesehen hatte. Er nannte sich Jacomo und er war ein braungebrannter Typ mit fiesem Gesicht. Vielleicht empfand sie dies auch nur deshalb so, weil sie wiederholt Blickwechsel zwischen Julia und ihm beobachtet hatte, sogar im Beisein von Jens, was sie als nicht gehörig empfand. Sie wollte mit einem kurzen Gruß an ihm vorbeieilen, als dieser sie lächelnd ansprach »Wollen Sie jetzt frühstücken gehen?«
Sie war erstaunt. Weniger wegen der Frage, was sie gerade vorhatte, sondern vielmehr wegen der Tatsache, dass sie so förmlich angesprochen worden war. Unten im Speisesaal der Angestellten waren sie und ihre Freunde nur geduzt worden – auch von ihm. Etwas verwirrt antwortete sie »Ja. Ja, ich habe Hunger.«
»Das Büffet im Speisesaal ist bereits abgeräumt. Was haben Sie für einen Wunsch? Was darf ich Ihnen auf Ihre Suite bringen?«
Eine angedeutete servile Verbeugung unterstrich für sie das Verdrehte an der Szene.
»Wieso bist du plötzlich so förmlich?«, wollte sie wissen.
»Sie sind jetzt keine Mitarbeiterin des Hotels mehr, sondern ein VIP. Dementsprechend sind wir gehalten, uns so zu verhalten und Ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Also: Was darf ich Ihnen in Ihrem Zimmer servieren?«
»So ein Schwachsinn!«, dachte sie bei sich und gab eine Bestellung auf, bei der bewusst auch ein sündhaft teures Glas Champagner nicht fehlte. Sie war gespannt, ob sie alles erhalten würde. Nachdem Jacomo, wieder mit einer unterwürfigen Verbeugung, verschwunden war, ging sie zu ihrer Suite zurück. Als sie an Julias Tür vorbeikam, glaubte sie eine Männerstimme gehört zu haben. Sofort blieb sie stehen, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Aber es kam kein Geräusch mehr aus der Suite. Bestimmt hatte sie sich verhört. Sie überlegte kurz, ob sie bei ihrer »neuen Freundin« anklopfen sollte und entschied sich dann aber, es doch zu lassen. Nachdenklich betrat sie ihre Suite. Das bestellte Frühstück wurde ihr kurze Zeit
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