Manhattan Blues
der in seiner Tarnung als
Zimmermann lebte. Oh, da gab es gelegentlich einen Ausrutscher: Wasser in Wein
verwandeln und reichlich frühreife Bemerkungen in Synagogen und dergleichen,
doch im wesentlichen funktionierte es, bis Gott ihn gebrauchen konnte. Dann
taucht der Schläfer urplötzlich auf und wird drei Jahre lang aktiv. Es endet
wie immer: ein Schauprozeß, Folter, Hinrichtung, und niemand kann den Leichnam
finden. Wenn schon Gottes eigener Agent keine Chance hatte, wer unter ihnen
sollte dann eine haben?
Egal wie fest man den Deckel verschließt. Frag doch
Michael Howard.
Natürlich würde Walter es bestätigen und sich vergewissern müssen,
daß Howard in einer Wohnung in Gramercy einen homosexuellen Liebhaber traf,
denn er mußte sicher sein, daß es nur das war — nur das? — und er nicht zweimal Verrat
begangen hatte, einmal an seiner Frau und dann noch an seiner Firma. Und es war
natürlich Walters wunderbare Aufgabe, den Liebhaber zu identifizieren und
aufzuspüren und zu bestätigen, daß er absolut nichts mit der Elektronikindustrie
zu tun hatte. Warum war Anne so versessen darauf gewesen, daß ich zu der Party
im Good Night komme? Um mich zu verhöhnen? Um die Entdeckung heraufzubeschwören?
Um mich behutsam darauf aufmerksam zu machen, daß sie Frauen ebenso liebt wie Männer
oder mich? Mehr als mich?
Er goß sich den zweiten Whiskey ein.
Tarnung. Michael Howard war zweifellos der Meinung, seine Tarnung sei
sicher, doch dafür war er wiederum kein Schläfer. Ganz im Gegenteil, sein
entscheidender Makel war, daß er in seinem Job zu gut war, sogar zur
Beförderung anstand, und damit hatte er Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es
wäre besser für ihn gewesen, Mittelmaß zu bleiben und sich irgendwo inmitten
der Herde ein hübsches, sicheres Plätzchen zu suchen und dort zu bleiben.
Nun ja. Seine Hybris ist sein Problem.
Und damit war wieder ein Whiskey weg.
Doch dafür war Sean McGuire da.
Der Schriftsteller hängte seine Marinejacke an den Kleiderständer und
setzte sich auf den Hocker neben Walter. Er trug ein aufgeknöpftes kariertes Wollhemd
über einem weißen T-Shirt. Sein Haar war glatt zurückgekämmt, und sein Gesicht
wirkte aufgedunsen. Nicht von den Prügeln, die er bezogen hatte, wie Walter
notierte, sondern vom Trinken.
»Was dagegen?« fragte er Walter.
»Bin froh, Gesellschaft zu haben.«
Der Barkeeper stellte ein weiteres Glas hin, und Walter goß Sean einen
Drink ein.
»Dylan Thomas ist in dieser Kneipe gestorben«, brummte Sean.
»Daran dachte ich auch gerade«, erwiderte Walter. »Obwohl er in
Wahrheit draußen auf der Straße starb. Wieso, haben Sie ähnliche Ambitionen?«
»Es gibt noch Schlimmeres, was ich tun könnte.«
»Das könnten Sie tatsächlich.«
»Baltimore hat einen teuflisch guten Sturm.«
»Ja, das haben sie.«
»Johnny Unitas.«
»Lenny Moore.«
»Ich stehe auf Lenny Moore«, sagte Sean. »Er rennt wie ein Wiesel. Er
rennt so, wie Bird die Kanne geblasen hat.«
Walter hob sein Glas. »Auf Charlie Parker.«
»Auf Charlie Parker.«
»Auf Lenny Moore.«
»Auf Lenny Moore.«
»Auf Dylan Thomas.«
»Auf Thomas.«
Walter füllte ihre Gläser neu.
»Auf F. Scott Fitzgerald«, sagte er.
»O Mann«, sagte Sean. »Auf Fitzgerald.«
»Wissen Sie, was ich immer gern sage?« fragte Sean einige Augenblicke
später. »Ich sage gern Jim Katcavage<. Mann, das ist ein Name für einen
Verteidiger. >Katcavage<.«
»Weil es sich auf >savage< reimt«, sagte Walter.
»Glauben Sie?«
»Aber sicher.«
»Ich könnte wetten, Sie haben recht«, sagte Sean. »Das wird ein
teuflisches Spiel werden, Mann.“
»Fahren Sie hin?“
»Natürlich sehe ich mir das an.«
»Nun, dann passen Sie schön auf sich auf«, sagte Walter. »Die
Keneallys werden auch dort sein.“
»Ach ja?«
»Ja. Ich gehe mit ihnen hin.«
McGuire starrte eine Minute lang in sein Glas und fragte dann: »Warum
sollte ich mich vor den Keneallys in acht nehmen, Walter?«
»Ich glaube nicht, daß Sie ihr Favorit sind.«
»Haben Sie die Wette untergebracht?«
»Noch nicht.«
»Weshalb warten Sie?«
»Ich warte auf den letzten möglichen Augenblick«, gab Walter zurück.
»Man sollte immer erst im allerletzten Augenblick wetten.«
»Dies ist meine letzte Wette«, sagte McGuire.
»Berühmte letzte Worte.«
»Behan ist in der Stadt«, sagte McGuire. »Ich habe ihn gestern abend
auf der Third Avenue gesehen. Betrunken wie ein Seemann. Hat in den Rinnstein
gekotzt und fiel dann auf dem
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