Manhattan Blues
Bürgersteig in Ohnmacht. Wieder so ein keltischer
Schriftsteller, der sich zu Tode trinkt.«
»Wahrscheinlich bringt es nur gewisse Verpflichtungen mit sich, ein
keltischer Schriftsteller zu sein.«
»Auf Brendan Behan.«
»Auf Brendan Behan.«
»Auf Jim Katcavage.«
»Auf Katcavage.«
»Auf die gesamte Abwehr der Giants«, prostete Sean. »Auf die gesamte
Abwehr der Giants«, wiederholte Walter.
»Auf Charlie Conerly«, sagte Sean. »Haben Sie gewußt, daß er der
Marlboro-Mann ist?“
»Nein, habe ich nicht.«
»Es ist aber wahr«, fuhr Sean fort. »Charlie Conerly, Quarterback der
angebeteten New Yorker Football-Giants, war das Musterbild des ursprünglichen
Marlboro-Mannes.“
»Ist das Ihre Art, eine Zigarette zu schnorren?“
»Ist es nicht, aber...«
Walter zog seine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche, zündete á
la Boyer zwei auf einmal an und reichte eine McGuire.
»Wissen Sie, was ich mit meinem gesamten Vorschuß für Highway gemacht
habe?« fragte Sean.
»Sie haben alles vertrunken und verspielt.«
»Ich habe alles vertrunken und verspielt«, sagte McGuire lachend. »Jetzt
bin ich pleite, Mann. Total am Ende.«
»Sie haben einen Bestseller«, wandte Walter ein. »Sie müssen doch Geld
machen.«
McGuire schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, wie Verleger zahlen, Mann?«
»Nein.«
» Laaaaaaaangsam.«
»Na schön, wenn Sie es nicht haben«, sagte Walter, »können Sie es
auch nicht vertrinken und verspielen.“
»So ist es.“
»So ist es.«
»Warum trinken Sie?« fragte McGuire.
Walter überlegte einige Augenblicke und sagte dann: »Ich habe Probleme
mit dem Herzen.«
»Die habe ich auch«, entgegnete Sean.
Walter wollte kein Wort über Madeleine Keneally hören, und so brachte
er einen Toast aus, um das Thema zu beenden. »Auf Probleme mit dem Herzen.«
»Auf Probleme mit dem Herzen.«
Sie saßen in dem geteilten männlichen Schweigen, das zu Problemen mit
dem Herzen gehört, bis Sean sagte: »Anne Blanchard ist Ihre Freundin, was?«
»Ich bin nicht sicher, ob ich es genau so ausdrücken würde«, erwiderte
Walter. »Aber ja. Woher wissen Sie das?«
»Große Stadt, kleine Szene«, entgegnete Sean. »Jedenfalls habe ich sie
singen hören. Ich mag ihre Stimme, Mann. Sie ist ein Jazz-Engel. Diese Stimme
ist nicht von dieser Welt.«
»Auf Anne Blanchard.«
»Auf Anne Blanchard.«
»Walter?«
»Ja?«
»Sie sollten die Menschen das sein lassen, was sie sind, Mann«, sagte
Sean. »Sie müssen die Menschen sein lassen, was sie sind.«
Walter knallte fünf Dollar auf den Bartresen.
»Machen Sie die klein«, sagte er zu Sean.
»Ich sage Ihnen doch nur, Mann...«
»Danke.«
».. .was ich mir selbst dauernd sage.«
Walter ging hinaus. Der Himmel war das, was Walter sich als »dünn«
vorstellte, von einem zarten Blau, das sich in Sekundenschnelle in Stahl
verwandeln konnte. Und kalt war es auch; es war diese schwere, feuchte Kälte,
die einen daran erinnerte, daß New York eine Hafenstadt ist und daß mit den
Ozeandampfern und Frachtern auch die graue Feuchtigkeit in die Stadt kommt.
I'll take Manhattan
The Bronx and Staten Island,
too...
Weil der Whiskey ihn wärmte, ließ Walter seinen Mantel offen und legte
sich den Schal lose um den Hals. Er setzte sich den Hut in einem, wie er
meinte, flotten und verwegenen Winkel auf den Kopf und machte sich auf den Weg.
In den nächsten paar Stunden arbeitete sich Walter Withers durch Dieter
Königs Liste der New Yorker Homosexuellen-Treffs hindurch und verleibte sich
in jedem von ihnen mindestens einen Drink ein. Er sagte sich, es sei ein Teil
des Jobs, daß man sich der Umgebung anpaßt.
Doch es ging natürlich um Anne. Anne und die Wut auf sie.
Anne und Wut, aber warum? War es nur die Tatsache des Betrugs — oder
des Betrugs mit einer Frau? Wäre es besser gewesen, sie hätte ihn mit einem
Mann betrogen? Oder schlimmer? Und da war es wieder. Das Schuldgefühl. Das
Schuldgefühl, weil er glücklich war, daß es eine Frau war statt eines Mannes.
Aber warum ausgerechnet diese Frau,
warum Marta Marlund? Warum, verdammt, verdammt, verdammt noch mal, warum
diese Frau?.
Das war die Frage, die ihn bei seiner Tour durch die Bars und Clubs,
die Fitneßzentren und türkischen Bäder weitertrinken ließ. Die Frage, die ihn
an die Bar gehen und einen Drink bestellen ließ, um dann nach Howard Benson zu
fragen und wie gewohnt eine verneinende Antwort zu erhalten. Dann bestellte er
sich noch einen Drink, ignorierte die
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