Manhattan Blues
feindseligen Blicke und das mißtrauische
Starren und saß nur da und trank - manchmal nippte er auch nur, wenn ihm danach
war.
Er wußte, daß er sich schlecht benahm - beleidigend -, wollte sich
aber danebenbenehmen, wollte unangenehm auffallen, wollte - wenigstens für
diesen einen Tag - die subtilen Höflichkeiten seines Berufs und seiner
Persönlichkeit über Bord werfen.
Er warf sie tatsächlich über Bord, sogar so sehr, daß er in dem kalten
graubraunen Licht des späten Nachmittags einfach durch die Tür schlurfte, die
Frage stellte, das stumme Starren der Männer mit einem Grinsen quittierte, sein
Bargeld auf den Tresen legte und den Barkeeper stumm herausforderte, es zu
verweigern. Dann setzte er sich, trank und beobachtete, wie die Gäste entweder
mürrisch schwiegen oder in der Annahme flüchteten, daß er ein Cop von der Sitte
war, ein Irrtum, den zu widerlegen er sich nicht die Mühe machte.
Es war ein Verhalten, das, wie er wußte, auf seiner Macht beruhte und
ihrer Machtlosigkeit. Ein Verhalten, das nicht anders war als das des
schlimmsten Sheriffs im Süden, der das Gewicht seines Amts in einer
Negerspelunke einsetzte. Es war das Benehmen der Schwarzhemden, das Benehmen
von Knobelbechern, ein Verhalten, das Anne verabscheuen und fürchten würde, und
darauf kam es schließlich an, nicht wahr?
Der heilige Walter.
Um die Zeit, als er sich allmählich zum Good Night zurückarbeitete -
denn er wußte, daß er es tun würde, denn es war unvermeidlich, denn, wie er in
seiner Betrunkenheit erkannte, war es der Zweck dieser ganzen stupiden Übung
—, war er sinnlos betrunken.
Ein muskelbepackter Portier in einem schiefergrauen Blazer, weißem
Button-Down-Hemd und einer schmalen schwarzen Krawatte vertrat ihm den Weg.
»Sind Sie Mitglied, Sir?«
»Ich hoffe doch, daß das nicht wieder so ein scheußliches Wortspiel
ist«, erwiderte Walter. »He?«
»Ich bin kein Mitglied, guter Mann«, sagte Walter. »Ich habe zwar ein
Glied, bin aber nicht Mitglied, und das Losungswort kenne ich auch nicht.«
»Dies ist ein privater Club.«
»Was eine Redundanz ist, nicht wahr? Wie auch immer, ich habe hier zu
tun.“
»Was zu tun?«
Ich suche den Homosexuellen im Heuhaufen, dachte Walter, sagte es
aber nicht. Statt dessen fragte er: »Kennen Sie einen Mann namens Howard
Benson? Athletisch, so ein Tennisspielertyp?«
Der Portier funkelte ihn wütend an und wiederholte: »Dies ist ein privater Club.«
»Diskretion ist bei einem Portier eine bewundernswerte Eigenschaft«,
sagte Walter. Er zog einen Fünfdollarschein aus der Hosentasche und hielt ihn
dem Mann hin.
Dieser schob das Geld zurück und sagte: »Stecken Sie es sich in den
Arsch.«
»Während Freud sich im Grab umdreht«, murmelte Walter.
»Sehr komisch.«
»Tatsächlich bin ich schon mal hier gewesen«, sagte Walter. »Am
Heiligen Abend. Im Osten war ein heller Stern aufgegangen, drei Weise aus dem
Morgenland kamen zusammen, und ich war der Gast der todschicken Sängerin Anne
Blanchard. Ich habe mich gut amüsiert. Besser, als ich erwartet ... hatte.«
»Warum gehen Sie nicht irgendwohin und trinken eine Tasse Kaffee?« fragte
der Portier.
»Warum gehe ich hier nicht rein und trinke einen Kaffee?« fragte
Walter und zog einen weiteren Fünfer aus der Tasche.
»Weil dies ein privater Club ist und Sie kein Mitglied sind.«
»Ist Howard Benson Mitglied?« fragte Walter.
Er fuhr fort: »Verstehen Sie, ich bin so etwas nicht gewöhnt.
Portiers mögen mich meist. Sogar mein eigener mag mich, was, wie Sie zugeben
werden, ungewöhnlich ist, da die Vertrautheit meist nur Verachtung erzeugt und
so etwas, obwohl manche Leute behaupten würden, Vertrautheit erzeuge nur,
Punkt Ende. Nicht mal ein Lacher? Sind Sie aus Stein, Mann? Nicht mal ein
Glucksen, nicht mal ein kleiner Lacher?«
»Schluß jetzt, Chef.«
Der Portier packte ihn am Ellbogen und fing an, ihn in Richtung
Außentür zu schieben.
»Nein, nein, nein, nein, nein«, sagte Walter. Sein Lachen hatte jetzt
einen deutlich hörbaren scharfen Unterton. »Nehmen Sie freundlicherweise die
Hand weg. Ich erlaube Fremden nicht, mich anzurühren.«
Es ist eine schlechte Angewohnheit. Wenn man einmal damit angefangen
hat, ist es schwer aufzuhören, dachte Walter. Jetzt stehe ich am Rand des
schlüpfrigen Abgrunds.
Etwas in Walters Augen ließ den Portier die Hand wegnehmen und ihm
nur die Tür aufhalten. »Besten Dank«, sagte Walter. »War mir ein Vergnügen.«
»Und für mich nicht total
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