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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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unerfreulich«, sagte Walter, »einen Mann
seine Pflicht tun zu sehen, trotz der finanziellen Verlockung, das Gegenteil zu
tun. Integrität bekommt man heute immer seltener zu sehen. Übrigens, ich bin
ein persönlicher Freund von Jules Benoit. Würde das helfen?«
    »Mr. Benoit ist heute nicht da.«
    »Außerdem bin ich eine Art Verwandter einer ihrer Kellnerinnen«,
fügte Walter hinzu. »Süßes Mädchen namens Alicia. Kennen Sie sie?«
    »Sie sind mit Alicia verwandt?«
    »Schhh«, sagte Walter und legte die Finger an die Lippen. »Das ist ein
Geheimnis. Ganz pst-pst. Urgroßvater in der Sklavenhütte, so was, verstehen
Sie? Wie auch immer - ist sie da?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich muß mit ihr sprechen. Ich muß wirklich mit ihr sprechen.«
    Um herauszufinden, dachte Walter, ob ihre Beziehung mit Anne
geschäftlicher oder persönlicher Natur ist. Oder intimer Natur. Oder alles
zugleich.
    »Bedaure, Chef.«
    »Ich muß nach oben.«
    »Niemand kommt da rauf.«
    »Ich bin auch ein persönlicher Freund von Paulie Martino«, murmelte
Walter drohend.
    »Schon in Ordnung, Ben«, sagte eine kultivierte Stimme hinter Walter.
»Mr. Withers ist mein Gast.«
    Walter drehte sich um und sah den dunkeläugigen Schriftsteller aus
dem Plaza, den Essayisten, mit dem er über Football gesprochen hatte. Der Mann
trug den feinen Sonntagsstaat des arrivierten Schriftstellers: eine
maßgeschneiderte Tweedjacke, Hosen aus Baumwolltwill und Wildlederschuhe.
    »Vielen Dank«, sagte Walter. »Es ist mir peinlich, daß mir Ihr Name
nicht wieder einfällt.«
    »Ich wüßte nicht, daß ich Ihnen den gesagt habe«, gab der
Schriftsteller zurück. »Wie auch immer, mein Name ist Julian. Julian Hidalgo.«
    Walter streckte die Hand aus.
    »Wollen wir nach oben gehen?« fragte Julian.
    »Wollen wir.«
    Der Raum schien erheblich langweiliger zu sein als am Heiligen Abend.
Die Dekorationen waren verschwunden, ebenso der Weihnachtsbaum und die
leuchtenden Tischtücher. Verschwunden war zu Walters Enttäuschung auch die
Modellbahn.
    Der Club war allerdings alles andere als leer. Eine Reihe von Männern
saß trinkend an der langen Bar, und ein paar Gruppen, die sich zu verstehen
schienen, saßen lachend an den Wänden, und einige wenige Paare tanzten zu den
Klängen der Jukebox, aus der irgendeine Popmelodie Walter ans Ohr drang, die
wiederholt verkündete, »im hop hop hop« passiere etwas oder nicht.
    Michael Howard Benson befand sich nicht im Raum.
    Alicia auch nicht.
    »Sie scheinen diesem Ort«, sagte Julian, »eine übermäßige Neugier
entgegenzubringen. Darf ich fragen, warum?«
    »Aus geschäftlichen wie persönlichen Gründen.«
    »Halten Sie Ihre Geschäfte liebenswürdigerweise hier heraus«, sagte
Julian. »Was die persönlichen Gründe angeht... Na ja, normalerweise würde es
mich interessieren, Ihre Neugier zu befriedigen, aber ich habe eine
Verabredung, müssen Sie wissen.«
    »Sie haben mich mißverstanden.«
    Julian musterte ihn lange und lächelte.
    »Tue ich das?« fragte er. »Das bezweifle ich.“
    »Machen Sie sich keine Mühe.“
    »Es ist keine Mühe.«
    Der scheußliche »hop«-Song hörte auf. Die Jukebox klickte und surrte,
die Nadel kratzte auf einer neuen Platte herum, und Tommy Edwards Stimme begann
mit It's All In The Game. Die Paare
auf der Tanzfläche umarmten einander und begannen, sich zu der langsamen Musik
sanft zu bewegen.
    »Es ist keine Mühe«, wiederholte Julian. »Im Gegenteil, vielleicht
wollen Sie sich uns anschließen?«
    »Mich Ihnen wo anschließen?«
    »Hinter dem Spiegel.«
    In den berüchtigten Bädern.
    »Nein, besten Dank«, erwiderte Walter.
    »Weiß Ihre wunderschöne Anne Bescheid?«
    »Ob sie Bescheid weiß?«
    »Daß Sie diese... Neigungen haben.«
    »Aber die habe ich nicht.«
    »Da habe ich wieder so meine Zweifel.«
    Walter zog seine Zigarettenschachtel aus der Jacke und bot Julian eine
an.
    »Gauloises«, sagte Julian.
    »Das habe ich mir in Europa angewöhnt.«
    »Ich auch.«
    »Ich spreche von den Zigaretten.«
    »Ich nicht«, entgegnete Julian. »Wollen Sie nicht vielleicht doch mit
nach hinten kommen und einen Blick riskieren? Sie können später sagen, Sie
seien betrunken gewesen. Außerdem stimmt es - Sie sind betrunken.«
    Vielleicht ist Michael Howard Benson da drinnen, dachte Walter.
Sozusagen in flagranti. Das würde in dem verdammten
Bericht schon genügen. Damit könnte ich es diesem Laden heimzahlen. Wofür?
fragte er sich. Für Anne und Alicia? Für Anne und Marta? Betrug

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