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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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war wie gewohnt lebhaft und überschwänglich.
    »Und was gibt’s Neues, Pop?«
    »Ich suche einen Typen in Brooklyn, und heute war ein Klient bei mir und hat mich gebeten, mit jemandem zu sprechen, der ihm Kummer bereitet.« Ich hatte nichts dagegen, in groben Zügen über meine Arbeit zu sprechen. Das ließ meinen Job profaner erscheinen und dämpfte jedes mögliche Interesse meiner Familie.
    »Liest du gerade irgendwas Gutes?«, fragte er mich.
    Twill las nie ein Buch, wenn er nicht unbedingt musste.
    »Ich hab neulich ein kleines Buch über die Geschichte der abendländischen Philosophie entdeckt«, sagte ich.
    »Und um wen geht’s da so?«, fragte mein Sohn.
    »Was ist los, Sohn?«
    »Wie meinst Du das?« Selbst in Momenten tiefster Unaufrichtigkeit war Twill immer noch überaus charmant.
    »Was willst du?«
    Sein Grinsen war perfekt.
    »Also, weißt du, Pop«, sagte er und zögerte. »Weißt du ... Mardi hat zu Hause Probleme, und ich hab ihr gesagt, dass sie ein oder zwei Nächte hierbleiben kann.«
    »Kommt nicht in Frage«, verfügte meine Frau von ihrem Ende des Tisches.
    Twill sah sie nicht an. Er lächelte auch nicht mehr.
    Selbst wenn ich nichts über dieses Mädchen und ihren Vater gewusst hätte, hätte ich mich auf die Seite des Jungen geschlagen.
    »Du musst lernen, Twilliam«, sagte meine Frau, »dass du nicht einfach hier reintanzen kannst und ...«
    »Kat«, sagte ich.
    Meine Frau hasst diese Abkürzung ihres Namens und ließ das auch jeden unmissverständlich wissen, der es wagte, diese Anrede zu benutzen.
    Ich hatte ihr erklärt, ich würde sie wirklich nur dann benutzen, wenn es wichtig war, dass sie mir genau zuhörte.
    Sie brach mitten im Satz ab und starrte mich wütend an.
    »Sollen wir in die Küche gehen?«, schlug ich vor.
    »Warum hast du mich vor den Kindern in Verlegenheit gebracht?«, fragte sie, als wir ihre Festung erreicht hatten.
    Es war das erste Mal seit ihrer Rückkehr, dass sie ihre Wut offen zeigte.
    »Weil ich aus sicherer Quelle weiß, dass der Vater dieses Mädchens sie vergewaltigt, seit sie ein kleines Kind war.«
    Katrinas Mund klappte auf. Sie war bereit gewesen, einen ihrer feurigen Anfälle hinzulegen, doch meine Worte löschten die Flammen.
    »Was?«
    »Du darfst weder ihr noch Twill sagen, dass ich irgendwas darüber weiß. Du kennst unseren Sohn. Du weißt, wozu er fähig ist. Ich muss die Situation entschärfen, bevor sie außer Kontrolle gerät. Hörst du?«
    Sie nickte.
    »Das Mädchen kann bei dir oder Shelly schlafen. Shell scheint sie zu mögen, das wäre also vielleicht ganz gut. Ich schlafe bei Twill. Ich werd ihm sagen, dass du mich darum gebeten hast, damit er nichts mit dem Mädchen anfängt, aber in Wirklichkeit will ich ihn bloß im Auge behalten, bis ich weiß, warum er will, dass sie hier übernachtet.«
    »Ihr Vater?«
    Ich nickte.
    »Das ist furchtbar. Wir sollten die Polizei anrufen.«
    »Das werden wir auch«, sagte ich. »Aber erst wenn ich sicher bin, dass die Bullen auch was unternehmen.«
    Ich wandte mich zur Tür und erwartete, dass Katrina mir folgen würde, doch stattdessen legte sie eine federleichte Hand auf meine. Ich blieb stehen, brachte es jedoch nicht über mich, mich umzudrehen und sie anzusehen. So wie ich mit der Abkürzung ihres Namens beherrschte auch Katrina kleine Gesten, die ganze Bände entlang der Korridore unserer gemeinsamen Geschichte sprachen.
    »Leonid.«
    »Ja?«, sagte ich zu der Tür vor mir.
    »Sieh mich an.«
    Das tat ich, konnte ihr jedoch nicht direkt in die Augen schauen.
    »Du weißt, dass ich mein Bestes gebe«, sagte sie. »Ich bin hier, und ich will dir eine gute Ehefrau sein.«
    Ich atmete tief ein und begann stumm zu zählen.
    »Die Vergangenheit ist vorüber«, sagte sie. »Ich bin jetzt hier bei dir.«
    Ich atmete aus und zählte weiter.
    »Zool war pleite«, sagte ich. »Ich habe einen Kumpel gebeten herauszufinden, was mit ihm geschehen ist. Angeblich ist er eine Stunde, bevor das FBI den Haftbefehl vollstrecken konnte, nach Argentinien geflogen.«
    Sie nahm es mit Fassung und Würde: kein Zittern, keine Tränen.
    »Ich habe daraus gelernt, Leonid. Ich habe meine Kinder vermisst. Ich habe mein Leben mit dir vermisst.«
    »Ich bin doch hier, oder nicht?«
    »Mit einem Fuß in der Tür und dem anderen auf dem Sprung.«
    »Was willst du von mir, Katrina?«
    »Ich will, dass du dich bemühst. Ich will ein gemeinsames Leben, und ich will, dass du mir verzeihst, was immer ich falsch gemacht

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