Mantramänner
ich die eine, und dann die andere: »Ja, wir essen mittags jetzt Pastinaken. Oder Möhrchen. Beim ersten Wickeln bin ich total erschrocken über die Farbe, die da hinten wieder rauskam bei der Lisa.«
»Das ist noch gar nichts!«, rief die dritte glucksend. »Da solltet ihr mal Spinat sehen, vorher und nachher. Die Lotta ist ein totales Verdauungswunder. «
Lautstark ratterte eine Bahn vorüber und schluckte gnädig die weiteren Details des Gesprächs.
Nach der Schlussmeditation packte ich meine Sachen betont langsam zusammen, bis die meisten anderen schon auf dem Weg waren. Vielleicht bildete ich es mir ein, aber auch Siv schnürte seine Matte mit beinahe aufreizender Langsamkeit zusammen. Dann hob er seinen Blick und sah mich an.
Ich fühlte mich gut.
Ich fühlte mich großartig. Wie von innen massiert, wie auseinandergenommen und neu zusammengesetzt, wie runderneuert. Wie hatte ich jemals auf einen Mann zugehen können ohne dieses unvergleichliche Körpergefühl, das nach einer Yogastunde zurückblieb? Diese Spannung, dieser wohlige, leichte Schmerz, wenn alle Körperteile sich von den ungewohnten Bewegungen erholten, diesem Kurzurlaub von ihrer Alltagsarbeit. Die Wirbelsäule, ausgewrungen wie ein nasses Geschirrtuch. Die Rückseiten der Beine, als hätte man dort frische Federn eingespannt.
»Was wolltest du vorhin noch sagen?«, fragte er freundlich. »Mit den Yogastunden in deinem Büro?«
Ihr Einsatz, Fräulein Frank.
»Also, das ist so«, erklärte ich, »ich soll da so einen Business-Yoga-Workshop leiten. Für alle interessierten Kollegen. Und da wollte ich
dich fragen, ob du mir vielleicht ein paar Tipps geben kannst. Wie man am besten solche Menschen an Yoga heranführt, die damit noch so gar nichts anfangen können.«
Ich überlegte, ob ich zugeben sollte, dass ich bis vor ein paar Wochen selbst zu diesen Menschen gehört hatte. Aber Siv war nicht der Typ Mann, den man mit seinen Beschützerinstinkten ködern konnte. Nein, so ein Mann brauchte eine starke Frau, die auch ihre Schwächen zugeben konnte. Da war die Bitte um Hilfe bei einem Yogaseminar genau die richtige Mischung.
»Klar«, Siv lächelte, »ich helfe immer gern. Wollen wir uns morgen Nachmittag auf einen Chai treffen und reden? Im ›Delhi Deli‹?«
In meinem Kopf begann etwas zu rattern, das ungefähr so aussah wie eine altmodische Anzeigetafel am Flughafen. In allen Zeilen und Spalten gingen kleine Klappen auf und zu. War das nun schon ein Date, ja oder nein? Die Rechenmaschine gab sich größte Mühe, spuckte aber kein eindeutiges Ergebnis aus.
Für ein Date sprach der Tag (Samstag), gegen ein Date sprach die Uhrzeit. Beim Getränk war ich mir nicht sicher. Chai sprach technisch gesehen gegen jede romantische Absicht, andererseits wäre es seltsam gewesen, wenn Yogis plötzlich auf Champagner umgeschwenkt wären, nur weil es möglicherweise auch um Gefühlsdinge gehen konnte. Ein klassisches . . .
Nein. Kein Unentschieden. Ich wollte mir nichts vormachen. Für Siv war es kein Date.
Aber es gab ja auch noch mich. Und ich würde schon dafür sorgen, dass der Nachmittag sich in die richtige Richtung entwickelte.
Dass sich Siv vorher nicht einmal erinnert hatte, wie ich hieß, daran wollte ich lieber nicht denken. War vielleicht auch nicht so wichtig. Vor allem für jemanden, der wahrscheinlich auf den Namen Sönke oder Hauke getauft war.
»Ich liebe Chai«, sagte ich verträumt. Dann band ich mir meinen Turban neu und ging zum Auto, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Nicht dass er noch dachte, ich sei leicht zu haben.
VRKSASANA
Der Baum (Vrksasana) öffnet das Nabelchakra. Diese starke Zentrierung auf die eigene, energetische Mitte fördert das klare Denken und das innere Gleichgewicht.
Als ich am Samstagmorgen das Wohnzimmer betrat, kam gerade die Sonne hinter einer Wolke hervor und strahlte die neuen grünen Blättchen an meinem Ficus an, sodass sie aussahen, als hätte man lauter Lämpchen in ihnen angeknipst. Das war ein Zeichen, da war ich ganz sicher.
Ich wusste nur nicht genau, wofür.
Wie anders war das noch vor wenigen Wochen gewesen, als ich morgens mit Kobolden im Kopf aufgewacht war! Wenn ich zurückdachte, dann schien mir damals jeder Morgen grau. Das konnte natürlich daran liegen, dass es vor ein paar Wochen noch März gewesen war. Aber auch an dem neuen Energie- und Lichtfluss, der seitdem zwischen meinen vernachlässigten Chakren strömte.
Mittlerweile schämte ich mich nicht einmal mehr für die
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