Marco Polo der Besessene 2
hinter der Postenkette aufgestellt haben sollten, die BaTang umschloß, wurde das gesamte bok abgebaut. Die yurtu-Zelte fielen in sich zusammen, und sämtliche Ausrüstung und die Tiere, die nicht mit auf den vorgeblichen Einmarsch kamen, wurden, versteckt. All die Tausende echter Mongolen, Männer wie Frauen, zogen in die von ihren eigentlichen Bewohnern verlassenen Häuser der Stadt. Was sie freilich nicht taten, war, die unansehnlichen und schmutzigen Kleider der auf dem Weg nach Yun-nan hinein befindlichen Bho anzuziehen. Sie behielten genauso wie ich und Ukuruji und seine Höflinge das Kriegsgewand und trugen Panzer wie Lederzeug, bereit, den Spuren der falschen Heersäulen zu folgen, sobald uns die Nachricht erreichte, daß der Feind in die Falle gegangen sei.
Selbstverständlich erwies es sich als notwendig, den Kolonnen der aus Bho bestehenden Lockvögel ein paar echte Mongolen mitzugeben, doch brauchte Bayan seine Leute nur aufzufordern, sich freiwillig zu melden, und es traten viele vor. Diese Männer waren sich darüber im klaren, daß diese freiwillige Meldung gleichbedeutend war damit, Selbstmord zu begehen, doch hier handelte es sich um Krieger, die dem Tod so oft ins Auge geblickt hatten, daß sie fest davon überzeugt waren, ihr langer Dienst unter dem Orlok habe sie mit irgendeiner geheimen Kraft ausgestattet, ihm auch weiterhin zu trotzen. Die wenigen, die bei dieser letzten gefährlichen Mission mit dem Leben davonkamen, würden nur darüber frohlocken, daß Bayan ihre eigene Unversehrbarkeit wieder einmal unter Beweis gestellt hatte, und die Toten würden ihm ohnehin keinen Vorwurf machen. So kam es, daß eine Rotte mongolischer Krieger vor den Kolonnen der vorgeblichen Invasionsarmee herritt, auf mongolischen Instrumenten die Kriegsweisen und Marschmusik spielten (wozu die Bho selbst beim besten Willen nicht fähig gewesen wären) und für die Tausende hinter ihnen mit dieser Musik jeweils das Marschtempo angaben: Galopp, Schritt, Galopp, immer abwechselnd. Am Schluß der gesamten Heersäule kam wieder ein Trupp echter Mongolen, um zu verhindern, daß Nachzügler sich absetzten, und um uns Melder zu schicken, sobald die Yi wie wir hofften - anfingen, sich zu sammeln und auf den Angriff vorzubereiten.
Die Bho waren sich sehr wohl darüber im klaren, daß sie Mongolen darstellen sollten, und ihre lamas hatten ihnen befohlen, das möglichst überzeugend zu tun -wenn ich auch nicht glaube, daß die lamas ihnen gesagt hatten, dies wäre vermutlich das letzte, was sie jemals tun würden -und so gaben sie wirklich ihr bestes. Als sie erfuhren, daß eine Militärkapelle sie anführen sollte, wandten einige sich an Bayan und Ukuruji mit der Frage:»Herr, sollen wir unterwegs nicht singen und rufen, wie echte Mongolen es tun? Was sollen wir singen? Wir kennen nichts anderes als das Om maní pémé hum.«
»Singt, was ihr wollt, bloß das nicht!« sagte der Orlok. »Mal überlegen. Die Hauptstadt von Yun-nan heißt Yun-nan-fu. Warum krächzt ihr nicht einfach: ›Wir reiten, um Yun-nan-fu einzunehmen!‹«
»Yun-nan-pu?« sagten sie.
»Nein«, erklärte Ukuruji und lachte. »Vergeßt das mit dem Singen und Rufen.« Bayan erklärte er sodann: »Die Bho sind außerstande, die Laute von v und f zu bilden. Es ist daher besser, sie singen und sagen überhaupt nichts, sonst merken die Yi womöglich noch was.« Er hielt inne, ein neuer Gedanke war ihm gekommen. »Aber etwas anderes könnten wir sie vielleic ht doch tun lassen. Sagt den Anführern, sie sollen die Heersäule immer rechts um irgendwelche heiligen Bauten wie etwa mani-Mauern oder ch'horten-Steinhaufen herumführen, so daß die linkerhand liegenbleiben.«
Die Bho erhoben schwachen Protest - so etwas stelle eine grobe Beleidigung des Pota dar, zu dessen Ehren diese Bauwerke errichtet worden seien, doch kamen sofort ihre lamas und befahlen ihnen zu gehorchen, ja, sie machten sich sogar die Mühe, ein heuchlerisches Gebet zu sprechen, mit welchem dem
Volke ein besonderer Dispens erteilt wurde, dem allmächtigen Pota diesmal eine Kränkung zuzufügen.
Die Vorbereitungen dauerten nur ein paar Tage, doch die Herolde und die Waffenmeister gingen schon voraus, und das vermeintliche Heer rückte schließlich nach erfolgter Aufstellung an einem wunderschönen Morgen bei strahlendem Sonnenschein aus. Ich muß sagen, selbst dieses Pseudoheer bot, als es Ba-Tang verließ, einen prächtigen Anblick. An der Spitze ritten die mongolischen Spielleute und
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