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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Hundertschaften wiederum so weit auseinander, daß die Hinterherreitenden nicht an dem Staub der Vorherreitenden ersticken mußten. Ich sage, daß dieser Abmarsch ein großartiges Schauspiel gewesen sein muß, weil ich nicht in den Genuß kam, sie an mir vorüberziehen zu lassen. Ich ritt in Begleitung von Bayan, Ukuruji und ein paar seiner höheren Offiziere ein gutes Stück voraus. Der Orlok mußte selbstverständlich an der Spitze reiten, und Ukuruji ritt mit im vordersten Glied, weil er das unbedingt wollte, und ich wiederum war da, weil Bayan das so befohlen hatte. Mir hatte man ein besonders großes Banner aus leuchtendgelber Seide anvertraut, das ich im richtigen Augenblick entrollen und damit den Befehl zum Entfesseln der Lawine geben sollte. Jeder Krieger hätte das tun können, doch Bayan bestand darauf, die Messingkugeln als »meine« Erfindung zu betrachten und ihre Verwendung damit in meine Verantwortlichkeit zu legen.
    Folglich ritten wir etliche li vor dem tuk in leichtem Galopp dahin, folgten dabei dem Lauf des Flusses Jin-shah und dem breiten niedergetrampelten Pfad, der die Spur des Pseudo-Heeres bildete. Nachdem wir ein paar Tage nur geritten und spartanisch gelagert hatten, knurrte der Orlok: »Jetzt überschreiten wir die Grenze zur Provinz Yun-nan.« Noch ein paar Tage später wurden wir von einem mongolischen Posten abgefangen, den die Nachhut hier aufgestellt hatte, damit er auf uns wartete. Dieser Posten nun führte uns vom Flußlauf fort um einen Berg herum. Auf der anderen Seite dieses Berges stießen wir am Spätnachmittag auf acht weitere Angehörige der mongolischen Nachhut. Diese hatten ein Lager ohne Lagerfeuer aufgeschlagen. Der Hauptmann dieser Wache forderte uns respektvoll auf, abzusitzen und die aus Dörrfleisch und tsampa-Brocken bestehende Kaltverpflegung mit ihnen zu teilen.
    »Doch zuvor, Orlok«, sagte er, »möchtet Ihr vielleicht bis auf den Gipfel dieses Hügels hinaufsteigen und Euch einen Überblick verschaffen. Ihr könnt von dort oben weit das Jinshah-Tal hinunterblicken; vermutlich werdet Ihr sehen, daß Ihr gerade rechtzeitig eingetroffen seid.«
    Der Hauptmann führte uns, als Bayan, Ukuruji und ich zu Fuß hinaufkletterten. Von unserem langen Ritt noch ganz steif, brauchten wir ziemlich lange, bis wir oben waren, und kurz vor dem eigentlichen Gipfel bedeutete der Hauptmann uns, uns zu ducken und schließlich auf dem Bauch weiterzukriechen; endlich durften wir dann den Kopf über das Gras hinaus erheben.
    Uns war augenblicklich klar, wie gut es war, daß man uns abgefangen hatte. Wären wir der Spur des Pseudoheeres und dem Flußlauf noch ein paar Stunden weiter gefolgt, hätten wir auf der anderen Seite des Berges einen Bogen geschlagen und wären in ein langgestrecktes, aber schmales Tal hineingeritten, das wir überblicken konnten und in dem das Lockvogelheer jetzt lagerte. Ihren Befehlen entsprechend, benahmen die Bho sich mehr wie eine Besatzungsmacht denn wilde Eroberer. Sie hatten keinerlei Zelte aufgeschlagen, lagerten aber an diesem Abend so ungezwungen, als hätten die Yi sie nach Yun-nan eingeladen und als wären sie hier willkommen. Unzählige Lagerfeuer prasselten und Fackeln leuchteten überall im dämmerigen Tal; nur am Rand waren nachlässig ein paar Posten aufgestellt, sonst herrschte unbekümmerter lärmender Trubel.
    »Wir wären geradenwegs in das Lager hineingeritten«, sagte Ukuruji.
    »Nein, das wäret Ihr nicht, Herr Wang«, sagte unser Führer. »Dürfte ich Euch ergebenst ersuchen, leise zu sprechen.« Selbst im Flüsterton redend, erklärte der Hauptmann: »Auf der anderen Seite dieses Berges haben die Yi in großer Zahl Aufstellung genommen -desgleichen am Zugang zum Tal und auf den Hängen weiter weg -, überall zwischen uns und dem Lager und auf der anderen Seite auch. Ihr wäret geradenwegs ihrer Nachhut in die Arme gelaufen und ergriffen worden. Der Feind bildet ein riesiges Hufeisen um das Lager unserer Lockvögel. Ihr seht die Yi nur deshalb nicht, weil sie genau wie wir keine Feuer angezündet haben und jede ihnen zur Verfügung stehende Deckung ausnutzen, um sich unsichtbar zu machen.«
    Bayan erkundigte sich: »Haben sie das jede Nacht getan, wenn das Heer das Lager aufgeschlagen hat?«
    »Ja, Herr Orlok, nur, daß über Tag immer weiter Verstärkungen gekommen sind. Aber ich meine, dieses ist das letzte Lager, das das Lockvogelheer aufschlagen wird. Möglich, daß ich mich täusche. Aber wenn unsere Zählungen stimmen, ist dies

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