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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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außerhalb des Mundes, doch jetzt seid ihr drinnen. Hatten eure Heere jemals Schwierigkeiten, dieses Hindernis zu bewältigen?«
    Donduk verzog höhnisch den Mund. »Da die Mauer in vorgeschichtlicher Zeit gebaut wurde, hatte nie ein Eindringling jemals Schwierigkeiten, sie zu überwinden. Wir Mongolen und unsere Ahnen haben das im Laufe der Jahrhunderte immer und immer wieder getan. Selbst ein unbedeutender Ferenghi wäre dazu imstande.«
    »Wieso das?« fragte ich. »Waren denn alle anderen Heere immer bessere Krieger als die Han, die sie verteidigten?«
    »Was für Verteidiger meint Ihr, uu?« sagte Ussu verächtlich.
    »Nun, die Wachen an der Brustwehr. Sie müssen doch jeden in der Ferne auftauchenden Feind erkannt haben. Woraufhin sie doch gewiß Legionen herbeirufen konnten, um diese Feinde zurückzuwerfen?«
    »O ja, das stimmt.«
    »Ja, und? Warum war es denn so leicht, sie zu besiegen?«
    »Besiegen!« sagten sie wie aus einem Munde und im Ton höchster Verachtung. Ussu erklärte die Ursache für ihre Geringschätzung. »Niemand brauchte sie je zu besiegen. Jeder, der von draußen kam und über die Mauer hinüber wollte, brauchte nur die Wachen mit etwas Silber zu bestechen. Vakh! Keine Mauer ist größer oder standhafter oder furchteinflößender als die Männer, die dahinter stehen.«
    Und ich erkannte, daß sie damit recht hatten. Die Große Mauer, mit Gott weiß was für ungeheurem Aufwand an Geld, Zeit und Arbeit, Blut und Schweiß und Menschenleben errichtet, hat Eindringlinge nie weiter aufhalten können als jede beliebige auf einer Karte gezogene Grenzlinie. Der einzige Anspruch auf Außergewöhnlichkeit, den die Mauer erheben kann, liegt darin, das gewaltigste Denkmal der Vergeblichkeit in der Welt darzustellen.
    Zum Beweis möchte ich folgendes anführen: Ein paar Wochen später erreichten wir endlich eine Stadt, die überaus sicher von dieser Mauer eingeschlossen wird, die hier am höchsten, dicksten und am besten erhalten ist. Die Stadt hinter der Mauer ist durch die Jahrhunderte unter viele n verschiedenen Namen bekannt gewesen: Ji-cheng und Ji und Yu-zho und Chung-tu und andere Namen -und irgendwann einmal ist sie auch die Hauptstadt verschiedener Reiche der Han gewesen: der Chinund der Chou- und der Tang-Dynastie und ohne Zweifel auch anderer. Doch was hat diese gewaltige Mauer genützt? Heute heißt die Stadt, in die wir einritten, Khanbalik -»Stadt des Khan« -und gemahnt daran, wie die letzten Eindringlinge die Große Mauer überwanden und dies Land eroberten, und nach meinem Dafürhalten auch an den bedeutendsten von ihnen: an den Mann, der sich hochtönend, aber mit Recht, selbst Groß-Khan nannte, der Khan aller Khane, Khan der Völker, Sohn des Tulei und Bruder des Mangu Khan, Enkel des Chinghiz Khan, des Mächtigsten der Mongolen - an den Khakhan Kubilai.
     
    KHANBALIK
     
    1
     
    Zu meiner Überraschung wurden wir bei unserem Eintreffen in Khanbalik - das heißt, als wir im letzten Licht des schwindenden Tages an jene Stelle gelangten, wo die staubige Straße in eine breite, gepflasterte und saubere Allee übergeht -von einem nicht geringen Empfangskomitee erwartet.
    Zunächst stand wartend ein Zug in Festtagsrüstung aus blitzend poliertem Metall und matt schimmernd geöltem Leder gekleideter mongolischer Fußsoldaten bereit. Sie traten nicht vor, um uns den Weg zu versperren, wie das Kaidus Straßenwache in Kashgar getan hatte. Wie ein Mann präsentierten sie ihre blitzenden Lanzen, das heißt, sie hoben sie grüßend schräg nach oben weisend in die Höhe, nahmen uns dann in die Mitte eines offenen Karrees und marschierten unter den vielen Khanbalikern, die nur kurz innehielten, um uns neugierig zu betrachten, die lange Allee hinunter.
    Die nächste Gruppe, die auf uns wartete, bestand aus einer Reihe vornehm aussehender älterer Herren -einige Mongolen, einige Han, sowie offenbar einige Araber und Perser -in langen, bis auf den Boden reichenden, prächtig gefärbten Seidengewändern; ein jeder dieser Männer hatte einen Diener dabei, der ihm an einer langen Stange einen fransenbesetzten Baldachin über den Kopf hielt. Die würdigen Herren hielten von nun an auf beiden Seiten Schritt mit uns, ihre Diener mußten sich beeilen, um die Baldachine auch richtig über ihnen zu halten, und alle lächelten sie uns an, vollführten gemessene Willkommensgesten und riefen ein jeder in seiner Sprache: Mendu!, Ying-jie! oder Sa-laam! -doch gingen diese Worte rasch unter in dem Höllenlärm

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