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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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von Hörnern und Zimbeln, mit denen sich ein Trupp Spielleute anschloß. Mein Vater und mein Onkel lächelten, nickten und verneigten sich aus dem Sattel heraus; sie hatten offenbar einen solchen außergewöhnlichen Empfang erwartet, wohingegen Nasenloch, Ussu und Donduk kein minder erstauntes Gesicht machten als ich.
    Ussu rief mir über den Lärm hinweg zu: »Selbstverständlich hat eure Gruppe die ganze Seidenstraße entlang unter Beobachtung gestanden wie jeder Reisende, und Kuriere werden die Behörden in Khanbalik über euer Vorwärtskommen auf dem laufenden gehalten haben. Kein Mensch nähert sich unbemerkt der Stadt des Khan.«
    »Doch für gewöhnlich«, fügte Donduk mit ungewohnt respektvoller Stimme hinzu, »ist es nur der städtische Wang, der Buch führt über das Kommen und Gehen von Besuchern. Ihr Ferenghi« -diesmal sprach er das Wort zur Abwechslung einmal wohlwollend aus -»scheint im Palast selbst bekannt, werdet wärmstens erwartet und mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit willkommen geheißen. Die älteren Herren, die neben uns einherschreiten, müssen Höflinge des Khakhan selbst sein.«
    Ich blickte von einer Seite der Allee auf die andere, denn ich war sehr gespannt, wie die Stadt aussah, doch plötzlich wurde mir der Blick verdunkelt und meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Es ertönte so etwas Ähnliches wie ein Donnerschlag und blitzte auf wie bei einem Wetterleuchten, nur freilich nicht hoch am Himmel, sondern erschreckend dicht über uns. Das Ganze ließ mich zusammenschrecken, und mein Pferd scheute so heftig, daß ich die Steigbügel verlor. Ich bändigte das Tier, ehe es hinten auskeilte, und hielt es tänzelnd auf der Stelle, während der prasselnde Lärm wieder losging und es immer und immer wieder knatterte, wobei es jedesmal wetterleuchtete. Ich sah, daß alle anderen Pferde gleichfalls scheuten und wir alle damit beschäftigt waren, sie unter Kontrolle zu halten. Nun hätte ich erwartet, daß die vielen Menschen auf der Allee auseinandergestoben wären und irgendwo Schutz gesucht hätten, doch schienen alle nicht nur gefaßt, sondern das Durcheinander und die Erhellung der Dämmerung zu genießen. Mein Vater und mein Onkel sowie die beiden Mongolen unserer Eskorte bewahrten genauso die Ruhe; sie verzogen das Gesicht sogar zu einem breiten Grinsen, als sie die Zügel anzogen, um die unruhigen Pferde in ihrer Gewalt zu behalten. Offenbar wirkte das ganze Geknatter und Geblitz nur auf mich und Nasenloch so erschreckend -ich sah, wie ihm die Augäpfel weißlich aus den Höhlen quollen, als er sich angstvoll nach der Quelle des Lärms umsah.
    Dieser kam von den geschwungenen Dächern links und rechts der Straße. Leuchtende Lichter stoben Feuerbränden gleich oder mehr noch wie die »Perlen des Himmels« in der Wüste von diesen Dächern aus in die Höhe und beschrieben dort eine gebogene Linie. Direkt über uns barsten sie dann, erzeugten dabei den ohrenbetäubenden Krach und zerstoben in verschiedenfarbenen Lichtfunken und -streifen und -fetzen, die heruntersegelten und erloschen, ehe sie das Straßenpflaster erreichten und hier einen strengen Rauchgeruch verbreiteten. Es fuhren so viele Brände von den Dächern in die Höhe und barsten in so rascher Folge nacheinander, daß ihr Aufblitzen einen ständigen hellen Schein verbreitete, der das natürliche Abenddämmer vertrieb, und ihr Geknatter ergab einen solchen Krach, daß von der Musik der uns begleitenden Spielleute nichts mehr zu hören war. Ungerührt stapften diese durch den blauen Rauch, und es sah aus, als führten sie eine Pantomime auf und spielten gar nicht richtig. Zwar war auch davon nichts zu hören, doch sah es nach dem In-die-Höhe-springen, dem Gewinke und den Mundbewegungen ganz so aus, als ob die Stadtbewohner zu beiden Seiten der Allee bei jedem Geknatter und bei jedem Aufblitzen aus vollem Herzen hurra schrien.
    Vielleicht sind mir angesichts dieser merkwürdigen und unberechenbaren fliegenden Feuer selbst die Augen aus dem Kopf gefallen. Denn als wir weiter die Allee hinunterritten und der Sturm aus Rauch und künstlichen Blitzen vorüber war, trieb Ussu wieder sein Pferd neben mich und sprach so laut, daß man ihn sogar über die ausgelassenschrillen Töne des Spielmannszugs hinweg verstehen konnte:
    »So etwas ist Euch noch nie geboten worden, nicht wahr, Ferenghi? Das ist eine Spielerei, wie nur das kindliche Gemüt der Han sie hat ersinnen können. Sie nennen es huo-shu yin-hua -Feuerbäume und

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