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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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später erfuhr ich, daß sie aus der Haut eines bestimmten Fisches gefertigt werden, von dem gesagt wird, sie lindere die Schmerzen der Gicht, des einzigen Gebrechens, über den ich den Khakhan sich jemals habe beklagen hören.
    »Nun«, sagte er, als mein Vater und Onkel geendet hatten, »vielleicht beweist eure römische Kirche, daß sie wahrhaft schlau und weise ist, wenn sie über ihre Mysterien nichts nach außen dringen läßt.«
    Ich war immer noch der frisch gebildeten Überzeugung, daß Khan Kubilai auch nicht anders war als andere Sterbliche -was für mich dadurch bewiesen schien, daß er sich bei der Sitzung des cheng um unseretwillen in Positur gesetzt hatte -, und jetzt schien er mich in dieser Meinung zu bestätigen, denn er fuhr fort, so redselig zu plaudern wie jeder gewöhnliche Mensch, der sich mit seinen Freunden unterhält.
    »Ja, eure Kirche könnte recht beraten sein, keine Missionare hierher zu schicken. Was die Religion betrifft, denke ich oft, überhaupt keine ist besser als zuviel. Wir haben ja schon nestorianische Christen, und die fallen mit ihrer Streitsüchtigkeit dermaßen auf, daß sie schon eine Pest sind. Selbst meine alte Mutter, die Khatun Sorghaktani, die vor langer Zeit zu ihrem Glauben übergetreten ist, ist dermaßen verblendet und von ihrem Glauben berauscht, daß sie mir und jedem anderen Heiden, dem sie begegnet, große Standpauken hält. Unsere Höflinge bemühen sich in letzter Zeit, es so einzurichten, daß sie ihr auf den Gängen nicht begegnen. Ein solcher Fanatismus läuft stets den eigenen Interessen zuwider. Ja, und aus diesem Grunde glaube ich, daß eure römische christliche Kirche vielleicht mehr Bekehrte anzieht, wenn sie so tut, als stehe sie weit über der Herde und wolle mit dieser nichts zu tun haben. Wie ihr wißt, machen die Juden das ja auch so. Deshalb können die wenigen Heiden, die sich zum Judaismus bekehren und von den Juden aufgenommen werden, sich geschmeichelt und geehrt fühlen.«
    »Ach, bitte, Sire«, sagte mein Vater dringlich, »vergleicht den wahren Glauben nicht mit der ketzerischen nestorianischen Sekte. Und vor allem vergleicht ihn nicht mit dem verachtenswerten Judaismus. Macht mir und Mafìo einen Vorwurf daraus, zur falschen Zeit gekommen zu sein, wenn es unbedingt sein muß. Doch zu jeder anderen Zeit, das versichere ich Euch, hält die Kirche von Rom die Arme weit ausgebreitet, um alle aufzunehmen, die gerettet werden möchten.«
    Scharf sagte der Khakhan: »Warum, uu?«
    Das war meine erste Erfahrung mit dieser besonderen Eigenart Kubilais, doch sollte die mir später immer wieder auffallen. Mochte der Khakhan sich, wenn es seiner Stimmung oder seinen Absichten entsprach, auch noch so freundlich und geschwätzig geben wie ein altes Weib, wollte er etwas wissen und eine Antwort auf eine Frage oder eine bestimmte Information haben, konnte er unversehens aus den Wolken der Geschwätzigkeit gleichgültig, ob es seine eigene war oder die eines ganzen Raums voller Menschen -wie ein Falke herabfahren, um zum
    Kern einer Sache vorzustoßen.
    »Warum?« wiederholte Onkel Mafìo verdutzt.
    »Warum das Christentum bemüht ist, die ganze Menschenheit zu retten?«
    »Aber das haben wir Euch doch schon vor Jahren gesagt, Sire«, erklärte mein Vater. »Der Glaube, der die Liebe predigt und sich auf den Erlöser Jesus Christus gründet, ist die einzige Hoffnung, ewigen Frieden auf Erden zu schaffen und Wohlstand und Wohlbehagen von Körper, Geist und Seele sowie guten Willen unter den Menschen. Und nach dem Leben eine Ewigkeit der Beseligung am Busen unseres Herrn.«
    Ich fand, mein Vater habe die Sache der Christenheit genauso gut vertreten wie jeder geweihter Priester. Doch der Khakhan lächelte nur traurig und seufzte auf.
    »Ich hatte gehofft, Ihr würdet gelehrte Männer mit überzeugenden Argumenten herbringen, meine guten Gebrüder Polo. So gern ich euch habe und so sehr ich auch eure eigenen
    Überzeugungen respektiere, ich fürchte, ihr habt -genauso wie meine verwitwete Mutter und jeder Missionar, dem ich jemals begegnet bin -nichts anderes zu bieten als unbewiesene Behauptungen.«
    Ehe mein Vater und mein Onkel noch mehr Bekennermut aufbringen konnten, sprach Kubilai weiter: »Ich erinnere mich sehr wohl daran, daß ihr mir gesagt habt, wie euer Jesus mit Seiner Botschaft und Seinem Versprechen auf die Erde gekommen ist -und zwar vor tausendzweihundert Jahren, wie ihr gesagt habt. Nun, ich selbst habe ein langes Leben hinter mir und habe

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