Marco Polo der Besessene 2
Geschmeide und herrlichen Stoffen vor Euch auszubreiten…«
»Vakh!« fiel ihm der Khakhan ins Wort »Lassen wir diesen Plunder. Wie sieht es mit den Karten aus, uu! Abgesehen von den Priestern, habt ihr versprochen, mir Karten mitzubringen. Habt ihr sie gezeichnet, uu? Hat euch Kaidu die vielleicht abgenommen, uu? Wenn er alles andere gestohlen hätte, das würde mir nichts ausgemacht haben, aber…«
Ich war, wie man verstehen wird, erschrocken darüber, wie rasch und häufig das Thema unserer Unterhaltung gewechselt wurde. Der Kha-khan strafte uns nicht, sondern fragte uns aus, und zwar nach Dingen, die ich nie vermutet hätte. Es hätte mich schon mit Erstaunen erfüllen müssen, daß dieser Mann ein Geschenk als Plunder bezeichnete und mit einem vakh abtat, für das man im Abendland jedes Herzogtum hätte haben können. Noch mehr erstaunte es mich jetzt zu erfahren, daß mein Vater und Onkel die ganze Zeit über mit etwas viel Geheimerem und Wichtigerem befaßt gewesen waren als der Herbeischaffung von Missionaren.
»Die Landkarten sind sicher, Sire«, erklärte mein Vater. »An so etwas hätte Kaidu nie gedacht. Und Mafìo und ich glauben, daß wir die besten Landkarten zusammengestellt haben, die jemals über den Zentralbereich und die westlichen Regionen dieses Erdteils angelegt worden sind -insbesondere jener Gebiete, die dem Ilkhan Kaidu unterstehen.«
»Gut… gut…«, murmelte Kubilai. »Die Landkarten der Han sind unübertrefflich, doch beschränken sie sich ausschließlich auf Han-Lande. Die Karten, die wir in früheren Jahren von ihnen erbeutet haben, haben bei der mongolischen Eroberung Kithais sehr geholfen und werden uns gleichermaßen von Nutzen sein, sobald wir gen Süden, gegen die Sung vorrücken. Doch alles, was sich außerhalb ihrer eigenen Grenzen befindet, haben die Han stets als bedeutungslos und ihrer Aufmerksamkeit nicht wert betrachtet. Sofern ihr eure Aufgabe gut gemacht habt, besitze ich zum ersten Mal Landkarten von der gesamten Seidenstraße und bis in die äußersten Winkel meines Reiches.«
Zufrieden strahlend sah er sich um und erblickte mich. Vielleicht hat er mein dummes Glotzen für den Ausdruck eines schlechten Gewissens gehalten, denn er strahlte jetzt womöglich noch mehr und wandte sich unmittelbar an mich. »Ich habe bereits feierlich versprochen, junger Polo, diese Landkarten nie bei irgendwelchen Feldzügen zu benutzen, die sich gegen das Territorium oder gegen Besitzungen Venedigs richten.«
Woraufhin er sich abermals meinem Vater und Onkel zuwandte und sagte: »Ich werde später eine Privataudienz anberaumen. Dann können wir uns zusammensetzen und uns die Landkarten gemeinsam ansehen. Inzwischen sind für einen jeden von euch hier bequem in meinem eigenen Palast ein Zimmer und Bedienstete bereitgestellt worden.« Und als komme ihm der Gedanke erst jetzt, fügte er noch hinzu: »Euer Neffe kann wohnen, wo es euch beliebt.«
(Es ist schon sonderbar, doch so scharfsinnig Kubilai in allen anderen Gebieten des menschlichen Wissens und der mensch-lichen Erfahrungen war, er hat in all den Jahren, die ich ihn kannte, nie behalten, wer von den beiden älteren Polo nun mein Vater und wer mein Onkel war.)
»Für heute abend«, fuhr er fort, »habe ich ein Willkommensbankett angeordnet. Ihr werdet dabei zwei andere Besucher kennenlernen, die gerade aus dem Westen kommen, und alle zusammen werden wir uns über die ärgerliche Frage der Insubordination meines Vetters Kaidu unterhalten. Jetzt wartet Lin-ngan draußen, um euch in euer neues Quartier zu bringen.«
Wie wir es auch später immer halten sollten, wir schickten uns an, ko-tou vor ihm zu machen, doch forderte er uns auf, uns zu erheben, ehe wir uns vollends ausgestreckt hatten, und er sagte: »Bis heute abend, meine Freunde Polo«, und wir zogen uns zurück.
2
Wie gesagt, ging mir bei dieser Unterredung zum ersten Mal auf, daß mein Vater und mein Onkel zumindest zum Teil für den Khan Kubilai gearbeitet hatten, als sie so fleißig die Landkarten ergänzt und gezeichnet hatten -und es ist auch das erste Mal, daß ich dies öffentlich zugebe. Ich habe es in jenem früheren Bericht über meine und ihre Reisen nicht erwähnt, weil damals mein Vater noch am Leben war und ich zögerte, ihn dem Verdacht auszusetzen, er könnte der Mongolen-Horde auf eine Weise gedient haben, die dem christlichen Abendland feindlich gesonnen war. Doch wie dem auch sei, alle Menschen wissen, daß die Mongolen nie wieder in das
Weitere Kostenlose Bücher